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Kandide oder die beste aller Welten

Kandide oder die beste aller Welten

Titel: Kandide oder die beste aller Welten
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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ich bin Sklave beim entthronten Sultan.
    Welche unendliche Kette von entsetzlichen Unglücksfällen! sagte Kandide. Doch ich habe noch einige Diamanten, damit werd' ich Kunegunden leicht befreien können. Nur schade, daß sie so häßlich geworden ist! Hierauf wandte er sich zu Martinen und sagte: Wen halten Sie wohl für beklagenswürdiger, den Kaiser Achmet, Zar Iwan, König Karl Eduard oder mich? Um hierüber zu urteilen, müßt' ich einen Blick in Ihrer aller Herz tun können, sagte Martin. Ha! versetzte Kandide, wäre nur Panglos hier, der würde ohne diesen Blick uns dies gewiß lehren. Ich weiß nicht, was für eine Waage Ihr Panglos hätte zur Hand nehmen können, um die Unglücksfälle der Menschen und ihre Leiden genau gegeneinander abzuwägen, sagte Martin. Ich meinerseits kann weiter nichts für gewiß behaupten, als daß es auf dem Erdenrund Millionen Menschen gibt, die hundertmal bedauernswürdiger sind als König Karl Eduard, Zar Iwan und Sultan Achmet. Wohl möglich! erwiderte Kandide.
    In wenig Tagen befanden sie sich auf dem Kanäle des Schwarzen Meers. Das erste, was Kandide tat, war, daß er Kakambo'n sehr teuer loskaufte, hierauf warf er sich ohn' alles Säumen mit seinen beiden Gefährten in eine Galeere, um an den Ufern des Mare di Marmara seine Kunegunde aufsuchen zu gehn, so häßlich sie auch immerhin sein möchte.
    Unter den Ruderknechten waren ein paar, die gar erbärmlich ruderten; auch sprach von Zeit zu Zeit der Levantefahrer mit seinem Ochsenziemer ihren nackten Schultern zu. Jeden Hieb fühlte Kandide doppelt; und er fuhr ihm durch Mark und Bein. Durch einen innern Zug angetrieben, naht' er sich ihnen und faßte sie schärfer in's Auge.
    So verunstaltet auch ihre Gesichter waren, so glaubt' er doch einige bekannte Züge darin zu entdecken; Züge, die einige Ähnlichkeiten von Panglos und dem unglücklichen gejesuiteten Baron hatten, dem Bruder von Baroneß Kunegunde.
    Diese Vorstellung machte ihn ganz niedergeschlagen, packte ihn heftig. Wahrlich, sagt' er zu Kakambo, nachdem er sie noch schärfer in's Auge gefaßt hatte, hätte ich nicht den Magister Panglos hängen sehn und hätt' ich nicht den Baron unglücklicherweise über den Haufen gestochen, so dächt' ich, das wären sie beide, die an diese Bank geschmiedet sind.
    Bei dem Namen Baron und Panglos stießen die beiden Ruderknechte einen lauten Schrei aus, standen still und ließen ihre Ruder fallen. Sogleich rannte der Levantefahrer auf sie los und verdoppelte die Schläge mit dem Ochsenziemer. Halten Sie ein, lieber Herr, halten Sie ein! rief Kandide. Ich will Ihnen geben, was Sie haben wollen.
    Heiliger Gott! das ist Kandide, schrie einer von den Ruderknechten. Wahrlich! das ist er, rief der andre. Träum' ich? Wach' ich? rief Kandide. Bin ich hier wirklich auf der Galeere? Ist das der Baron, den ich getötet? Ist das Magister Panglos, den ich habe hängen sehn?
    Wohl sind wir's! Ja, wir sind's! antworteten sie alle beide. Wie! ist das der große Philosoph? fiel Martin ein. He! Herr Levantefahrer, sagte Kandide, wieviel Lösegeld fordern Sie für den Herrn Leopold Woldemar von Donnerstrunkshausen, einen der vornehmsten Barone des Heiligen Römischen Reichs, und für den Herrn Magister Panglos, den allergründlichsten Metaphysiker in ganz Teutschland. Baron, Metaphysiker, sagte der Levantefahrer. Hum! Müssen wohl ansehnliche Ämter in deinem Lande sein! Nu, weißt du was, du Christenhund? Da sollst du mir für die beiden Christenhunde von Sklaven fünfzigtausend Zechinen geben.
    Die sollen Sie haben, mein Herr, sagte Kandide. Bringen Sie mich nur schnell wie der Blitz nach Konstantinopel, und ich zahl' Ihnen das Geld auf einem Brette. Doch nein, bringen Sie mich lieber zu Baroneß Kunegunde. Gleich bei Kandidens ersten Worten hatte der Patron das Schiff umgelegt und ließ nach der Stadt schneller zurudern, als ein Vogel die Lüfte durchschneidet.
    Kandide warf sich bald dem Baron um den Hals, bald Panglosen: Wie ist das möglich, lieber Baron, daß ich Sie nicht getötet habe? und wie können Sie noch leben, trauter Panglos, da Sie sind gehängt worden? Und wodurch sind Sie beide auf türkische Galeeren gekommen? Ist denn wirklich meine liebe Schwester in der Türkei? sagte der Baron. Nicht anders! antwortete Kakambo. So hab' ich dich denn wieder, lieber trauter Kandide, schrie Panglos, und drückt' ihn fest an seine Brust. Kandide stellte ihnen Kakambo'n und Martinen vor. Sie umarmten sich insgesamt und sprachen alle mit
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