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Kandide oder die beste aller Welten

Kandide oder die beste aller Welten

Titel: Kandide oder die beste aller Welten
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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einem Male.
    Schon lag die Galeere, die mit Sturmwindsfittichen geflogen war, im Hafen. Man ließ einen Mauschel kommen, welcher Kandiden einen Diamanten, der hunderttausend Zechinen unter Brüdern wert war, für die Hälfte abschacherte. Will glaich verkrümmen af der Stell', gnädiger Herr, wo ich Sie kann geben ainen roten Heller mehr, sagte der Jude.
    Sogleich bezahlte Kandide das Lösegeld für den Baron und für Panglos. Letzter warf sich seinem Befreier zu Füßen und badete sie mit Tränen. Erstrer sagte mit hochadligem Kopfnicken: Ehster Tage sollen Sie Ihren Vorschuß wiederhaben, Kandide. Auf Kavaliers Parol! Ist's aber wohl möglich, daß sich meine Schwester in der Türkei befindet?
    Nicht nur möglich, sondern auch wirklich, sagte Kakambo. Sie scheurt jetzt einem siebenbürgischen Fürsten sein bißchen Zinn. Sogleich mußten zwei Juden kommen; Kandide verschleuderte wieder etliche Diamanten: sie setzten sich auf eine andre Galeere und eilten, Kunegunden zu erlösen.

Achtundzwanzigstes Kapitel: Baron von Donnerstrunkshausen und Panglos erzählen, was ihnen bisher begegnet ist
    Verzeihung, Ihro Wohlehrwürden, nochmals Verzeihung, daß ich Ihnen den Degen durch den Leib gejagt habe, sagte Kandide zum Baron.
    Nichts mehr davon! antwortete dieser. Die Schuld war mein, muß ich gestehn; ich war ein wenig zu rasch. Doch Sie wollen wissen, was für ein Unglücksfall mich auf die Galeeren gebracht. Nun, so hören Sie. Wie der Bruder Apotheker aus unserm Kollegium meine Wunde geheilt hatte, die Sie tödlich glaubten, griff mich eine Partie Spanier an, führte mich fort nach Buenos-Aires, das meine Schwester eben verlassen hatte, und warf mich daselbst ins Gefängnis.
    Ich bat um Erlaubnis, nach Rom zum Pater General gehn zu dürfen. Man fand's aber für gut, mich nach Konstantinopel zu schicken, um bei dem dortigen französischen Ambassadeur Kaplansstelle zu vertreten. Ich hatte noch nicht völlig acht Tage diese Bestallung gehabt, als mir des Abends ein ungemein wohlgebildeter junger Sultans-Page aufstieß. Erstaunlich schwül war's den ganzen Tag über gewesen, der junge Mann wollte sich baden, ich nahm die Gelegenheit wahr und badete mich mit. Ich wußte nicht, daß der Hals darauf stand, wenn ein Christ mit einem jungen Muselman zusammen in puris naturalibus betroffen wird. Ein Kadi, der mich vor sich bringen ließ, sagte mir dies, ließ mir hundert Stockprügel auf die Fußsohlen geben und verdammte mich — aus ungemeiner Milde — zu den Galeeren. Himmelschreiendere Ungerechtigkeit, glaub' ich, ist wohl nie begangen worden . .. Aber ich bitte Euch, Kandide, sagt mir, warum befindet sich meine Schwester in der Küche eines zu den Türken geflüchteten siebenbürgischen Fürsten?
    Aber wie ist's möglich, trauter Panglos, rief Kandide, wie ist es möglich, daß ich Sie wiedersehe? Sonderbar muß es Ihnen freilich dünken; sagte Panglos, da Sie mich haben hängen sehn. Nach der Regel hätt' ich müssen verbrannt werden. Sie werden sich aber noch erinnern, daß es regnete, als gösse es mit Mulden, grad' als ich sollte geschmort werden. Dies Schlackerwetter ward so heftig, hielt so lang' an, daß man das Holz gar nicht zum Brennen bringen konnte. Da war also kein bess'rer Rat, als mich zu hängen. Ein Feldscher kaufte meinen Leichnam, nahm ihn mit nach Hause und hub ihn an zu sezieren. Er begann sogleich mit einem Kreuzschnitt vom Nabel an bis zum Schlüsselbein herauf. Erbärmlicher wie ich war wohl noch niemand gehängt worden. Der Vollstrecker der hochnotpeinlichen Halsgerichtsbarkeit bei der heiligen Inquisition, der Unterdiakonus war, verstand sich zwar perfekt darauf, Leute zu verbrennen, aber das Hängen war seine Sache gar nicht. Der Strick •war naß, glitschte also nicht, und er schlug einen ganz jämmerlichen Knoten.
    Kurz, ich hatte noch Leben, beim Kreuzschnitt schrie ich so laut auf, daß der Feldscher rücklings zu Boden stürzte und sich einbildete, er hätte den Teufel seziert. Halbtot vor Schrecken rannt' er Hals über Kopf zur Stubentür hinaus, und Hals über Kopf stürzt' er auch die Treppe hinunter.
    Die Frau kam über das Gepolter aus dem benachbarten Kabinett herzugerannt, sah mich mit dem Kreuzschnitt über den Tisch ausgestreckt liegen. Es kam sie noch ärgers Grauen an als ihren Mann, sie rannte volles Rennens nach der Treppe, fiel selbige herunter und auf ihre liebe Ehehälfte.
    Als sie sich wieder erholt hatten, hört' ich die Frau zum Manne sagen: Wie hast du dir's denn
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