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Kampf um Strom: Mythen, Macht und Monopole (German Edition)

Kampf um Strom: Mythen, Macht und Monopole (German Edition)

Titel: Kampf um Strom: Mythen, Macht und Monopole (German Edition)
Autoren: Claudia Kemfert
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bleiben. »Schafft die sinnlose und teure Subventionierung der Energiewende ab!« – Das klingt einfach überzeugend.
    Nachdem der FDP mit den Steuersenkungen ihr zentrales Thema auf dramatische Weise abhandengekommen ist, hat die Partei zudem die alten Vorurteile gegen die Ökobewegung entdeckt, um sich zu profilieren. – Aber natürlich könnte jeder aufgeklärte Mensch darauf kommen, dass es längst nicht mehr unmöglich ist, wirtschaftsliberal und zugleich ökologisch zu denken. Das Biohuhn passt heute auch zum Armani-Anzug. Doch die FDP packt die alten Ressentiments wieder aus, weil diese tief sitzen und deshalb ein wirksames Mittel im Kampf um Wählerstimmen sind. Was würde sich besser für kommende Wahlkämpfe eignen als ein klares Freund-Feind-Schema? Man ist geneigt zu sagen, dass der Antagonismus absolut unvereinbarer politischer Gegensätze neuerdings in den Farben Gelb und Grün leuchtet. »Wenn sich die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen über unseren Wachstumsbegriff aufregt, dann machen wir garantiert etwas richtig«, sagt Parteichef Philipp Rösler. – So billig funktioniert die Rhetorik in einer Welt, in der die Dinge für den Wähler möglichst einfach erscheinen und Gut und Böse möglichst leicht zu unterscheiden sein sollen. Auf dem Parteitag der FDP im April2012 , kurz vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen, ereiferte sich Christian Lindner, er habe am Morgen die Zeitung aufgeschlagen und mit Schrecken erfahren, dass Norbert Röttgen Claudia Kemfert als Energieministerin für sein Schattenkabinett nominiert hat. Er fühle sich inzwischen der SPD näher als der CDU , fährt Lindner fort, denn diese diene sich ja permanent den Grünen an. – Wie schön wäre es, wenn die Energiewende das politische Farbenspiel hinter sich lassen könnte! Für diesen Traum stehen Politiker wie Klaus Töpfer und Norbert Röttgen.
    Immerhin, die Abneigung gegen alles Grüne nimmt man der FDP durchaus ab. Doch während sie mit der Parole »Mehr Marktwirtschaft für die Energiewende!« wenigstens noch den Anschein erweckt, typisch wirtschaftsliberale Positionen zu vertreten, wirken ihre letzten Manöver allzu durchsichtig. »Die Frage der Energiepreise ist die neue soziale Frage«, verkündet Philipp Rösler neuerdings, unter anderem am 25. Oktober 2012 bei Maybrit Illner. Der Parteichef gibt vor, sich um all jene zu sorgen, die ihre Stromrechnung möglicherweise bald nicht mehr bezahlen können. In erster Linie sind das Hartz- IV -Empfänger. Gerade für diese aber zeigte die FDP in der Vergangenheit nicht immer so viel Mitgefühl.
    Wer hätte gedacht, dass die soziale Frage plötzlich von der FDP in die Energiedebatte eingebracht wird? Es steckt schon eine gewisse Perfidie darin, im Sinne von Großkonzernen zu agieren, denen ihre Machtstellung jahrzehntelang überverhältnismäßige Gewinne einbrachte, außerdem großzügig Industriebetriebe von ihrem Beitrag zur Energiewende zu befreien (was die Stromrechnung der Hartz- IV -Empfänger zusätzlich in die Höhe treibt) und sich gleichzeitig als Retter der sozial Schwachen aufzuspielen. Langjährige Kämpfer für die Energiewende wie beispielsweise Dennis Meadows oder Klaus Töpfer berichteten mir, es sei für sie besonders bitter, dass ihnen neben anderen Dingen auch noch Ökoelitarismus vorgeworfen wird: »Grün« könnten sich doch nur die leisten, die ein Ferienhaus in der Toskana besitzen.
    Rettet die sozial Schwachen?
    Was also ist dran an der Angst, die Energiewende könne die Menschen an der Armutsgrenze in Zukunft noch stärker in ihrer Existenz bedrohen?
    Die These, die Energiewende belaste die sozial Schwachen in ungerechtem Maße und drehe ihnen geradezu buchstäblich den Hahn ab, wird in der Diskussion gerne durch folgende zugespitzte Formulierung auf den Punkt gebracht: Der Hartz- IV -Empfänger in Berlin bezahlt dem Zahnarzt in Bayern die Solaranlage, woran letzterer auch noch verdient. Hier wird dem EEG und der Umlage der Vergütung von grünem Strom auf die Stromrechnung ein Konstruktionsfehler attestiert, dem folgende Rechnung zugrunde liegt: Der größte Teil der EEG -Umlage fließt dorthin, wo am meisten grüner Strom produziert und vergütet wird. Lange Zeit war dies bei Photovoltaikanlagen der Fall, von denen es in Bayern sehr viele, in Berlin aber nur wenige gibt. Da aber über den Strompreis jeder Verbraucher die Vergütung des Ökostroms mitbezahlt, es meist jedoch die besser verdienende Mittelschicht auf dem Land ist, die sich die
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