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Kammerflimmern

Kammerflimmern

Titel: Kammerflimmern
Autoren: Even Anne; Holt Holt
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schloss die Augen, als er Sara rufen hörte: »Lars? Was machst ...«
    Ola sprang auf und stürzte zur Tür.
    »Der Knabe ist auch hier, wie ich sehe.«
    Lars Kvamme stand vor der Tür, in Hemdsärmeln und leicht keuchend, einen dünnen Papierstapel in der Hand.
    »Möchtest du reinkommen?«, fragte Sara mit tonloser Stimme.
    »Nein. Das hier ...«
    Er fuchtelte mit den Papieren vor Saras Gesicht. »Das ist eine Anzeige«, sagte er dann.
    Ola streckte die Hand aus, um sich die Papiere anzusehen, aber Lars Kvamme zog sie zurück.
    »Dich geht das nichts an«, sagte er kalt. »Du bist nur ein Laufbursche, der tut, was die Mama ihm sagt. Erinnerst du dich an Klaus Aamodt?«
    »Natürlich erinnere ich mich an Klaus Aamodt«, sagte Sara verwirrt. »Ein Patient, der ...«
    » Mein Patient«, fiel Lars Kvamme ihr ins Wort. »Mein Patient, den du umgebracht hast.«
    »Umgebracht?«
    Ola starrte erst Sara, dann Lars und dann wieder Sara an.
    »Sepsis«, sagte Lars Kvamme kurz. »Nachgewiesene Endokarditis. Vermutlich septische Embolie im Gehirn, in kritischem Zustand seit Samstag. Er ist in der Nacht zum Sonntag gestorben. Du hast mit deiner albernen unsterilen Nummer meinen Patienten umgebracht«, sagte Lars so laut, dass zwei Spaziergänger auf der zehn Meter entfernten Straße stehen blieben. »Du hast ihn umgebracht, und damit wirst du nicht durchkommen. Ich zeige dich bei der Polizei an, und außerdem wird jedes verdammte Gesundheitsorgan sich überlegen müssen, wie man mit PR-geilen Oberärztinnen umgeht, die einfach machen, was sie wollen.«
    Sara schüttelte den Kopf. »Kannst du nicht reinkommen?«, sagte sie dann. »Es ist entsetzlich, dass das passieren konnte, und ...«
    »Ja«, sagte Lars Kvamme. »Entsetzlich ist genau das richtige Wort. Und du wirst bezahlen, Sara Zuckerman. Du wirst das GRUS verlassen. Ich werde erst Ruhe geben, wenn du aus dem norwegischen Gesundheitswesen verschwunden bist.«
    Er tippte mit der Anzeige so plötzlich auf ihre Brust, dass sie automatisch die Hände um den Papierstapel legte. Dann machte er kehrt und lief auf das Gartentor zu. Dort drehte er sich um und rief so laut, dass ganz Høvik es hören konnte: »Du wirst verdammt noch mal dieses Land verlassen, Sara Zuckerman! Ich gebe erst Ruhe, wenn du verschwunden bist.«

Samstag, 11. September 2010
1.15 p.m.
Central Park, Manhattan, NYC
     
    »Was für ein schöner Tag«, sagte Rebecca Mundal und packte Ortys Arm fester. »Und ich bin so froh, dass du hier bist.«
    »Ich bin hier und ich bleibe hier.«
    Morten Mundal schaute zu den grünen Ulmenkronen hinauf, die vor dem hellweißen Himmel fast schwarz wirkten. Der Griff seiner Mutter um seinen Arm war fest und warm. Er schaute die schmächtige Gestalt an, die heute schon beim Friseur gewesen war und ihn jetzt um einen kleinen Spaziergang gebeten hatte. Vielleicht würden sie noch in einem kleinen italienischen Lokal, das sie bereits lieb gewonnen hatte, ein verspätetes Mittagessen einnehmen.
    »Du riechst gut«, flüsterte er ihrem grauen Kopf zu.
    Rebecca lächelte kokett. »Danke gleichfalls«, sagte sie. »Wir sind ein ganz schön fesches Paar, was?«
    Er lachte laut.
    Morten Mundal lachte die Welt an und war glücklich. Seit er seine Stellung als Leiter von Mercury Medical Nordeuropa aufgegeben und zu seiner Mutter nach Manhattan gezogen war, wurden ihm überall Jobs angeboten. Bisher hatte er alle höflich abgelehnt. Er hatte so viel zu erledigen, dass er alle Stunden des Tages zur Verfügung haben wollte.
    Seine Mutter vom Trinken abzubringen, das war wohl nicht mehr möglich.
    Rebecca Mundal würde nicht mehr lange leben, dazu war alles zu weit fortgeschritten. Sie trank tagsüber Wein und vor dem Schlafengehen einen Schnaps, und die regelmäßige Alkoholzufuhr machte sie einfach nur glücklich.
    Sie verbrachten die Tage miteinander, Morten und Rebecca, lange gute Tage. Die Wohnung war gereinigt worden, die geputzten Fenster und die leichteren Vorhänge ließen wieder Licht in Rebecca Mundals kleines Leben.
    »Du hast ihn wirklich fertiggemacht«, sagte sie, wie sie es sicher zehnmal am Tag sagte. »Du hast Otto Schultz fertiggemacht. Mein Orty.«
    Sie lachte übermütig und blieb stehen, als drei Eichhörnchen über den Weg huschten und dann einen Baumstamm hochjagten.
    Otto Schultz hatte sich dafür entschieden, nichts zu sagen.
    Kein Wort in fast vier Monaten. Die Kaution war so turmhoch angesetzt worden, dass er noch immer in Untersuchungshaft saß, und das
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