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Kameraden: Die Wehrmacht von innen (German Edition)

Kameraden: Die Wehrmacht von innen (German Edition)

Titel: Kameraden: Die Wehrmacht von innen (German Edition)
Autoren: Felix Römer
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kleiner Bub.« Der umgestürzte Wagen mit den unversorgten Schwerverwundeten liegt jetzt »gewissermaßen hinter der russischen Linie«.
    Plötzlich tauchen zwischen den Trümmern geduckte Gestalten auf. Preiß sieht mit Schrecken, dass im Schutz der Panzer Rotarmisten nachrücken, die kein Erbarmen kennen: »Im selben Moment, wie die Panzer da waren, kam die russische Infanterie vor. Und hat alles, was noch dalag, totgestochen.« Preiß und seine Schicksalsgenossen stehen direkt in der Schusslinie. Von der Seite der sowjetischen Panzer wird »immerzu in den Wald gefeuert, wo unsere Landser drin« sind. Aus dem Wald knallen deutsche Geschütze zurück – drei der sowjetischen Panzer bersten unter krachenden Granatentreffern, direkt neben Preiß und seinen Kameraden: »Die Splitter flogen uns um die Schnauze. In den Sankawagen herein, Scheiben herausgeflogen, und keiner von uns verwundet.« Die Situation erscheint hoffnungslos. Das Sanitätspersonal ist längst »stiften gegangen«, den Verwundeten bleiben bis auf eine Pistole »weder Munition noch Waffen«. Preiß weiß nur, dass er sich auf keinen Fall den Rotarmisten ergeben will: »Ich saß da mit der Pistole in der Hand und sagte zu den Kameraden: Wenn jetzt da ein Russe hereinkommt, schieße ich ihn über den Haufen, auch wenn es uns das Leben kostet. Wir haben noch eine Waffe, wir können uns noch wehren. Damit waren sie einverstanden.« Im Moment der größten Gefahr »direkt hinter der russischen Linie« verlieren die abgeschnittenen Verwundeten aber zunehmend die Nerven – »auf einmal fängt unser Obergefreiter drinnen an zu heulen«. Preiß reagiert sofort, fuchtelt mit seiner Pistole: »Und so wahr ich hier liege, sage ich: Wenn du jetzt nicht ruhig bist, so erschieße ich dich.« Plötzlich bietet sich doch die Gelegenheit zu entkommen, denn die übrig gebliebenen sowjetischen Panzer ziehen sich zurück. Bevor Preiß aber die Gefahrenzone verlassen kann, kommt es noch zu einer fast surrealen Szene:
    P: Und einen Panzer haben sie nur angeschossen. Der konnte nicht mehr schießen, da war was am Turm kaputt. Da steigt der gemütlich aus, geht um den Sankawagen herum, da macht der bei dem großen Panzer die Klappe auf und unterhält sich mit dem. Und ich gucke heraus, ziehe meinen Photoapparat heraus und mache in demselben Moment eine Aufnahme. Wie sich die beiden unterhalten. Und der, der aus dem Panzer herausschaute, der hat ein Gewehr gehabt, direkt auf uns gerichtet. Da dachte ich, jetzt ist [es] aus. Da steigt der ganz gemütlich wieder ein, nimmt den kleinen Panzer mit einer Kette in Schlepp und zieht den anderen ab. Und ist wieder in die Bereitstellung gefahren. Das ging so eineinhalb Stunden, – mein Lieber, das geht auf die Nerven. Ich aus dem Wagen raus, da kamen auch schon wieder unsere Landser, also erst mal was fressen und eine Zigarette. Da kamen wieder Kosaken und da habe ich die Landser gebeten, mich auf ein Pferd zu setzen, kaum bin ich oben gesessen, kam wieder ein Panzerangriff. Und da wollten unsere Divisionen heraus und da sind sie auch herausgekommen. Und da bin ich am 18. nachts um 12 Uhr aus dem Kessel herausgekommen. […] Ja, das war Russland ’41.
    So oder ähnlich spielten sich schwere Kämpfe ab, zumal an der Ostfront. Die Soldaten erlebten solche Gefechte wie eine Naturgewalt – alle Sinne waren wie elektrisiert. Die Anblicke, Geräusche, Gerüche und Gefühle waren so intensiv, dass es den Soldaten fast unbeschreiblich erschien. Auch Preiß beschwor seinen Gesprächspartner, er müsse sich »das so vorstellen«, man »kann das gar nicht so schildern«. Wer so etwas gesehen hatte, vergaß es nicht mehr: Preiß hatte fast drei Jahre später in Fort Hunt noch immer klare, detaillierte Bilder vom Ablauf und den Örtlichkeiten der Schlacht vor Augen. Besonders unauslöschlich waren die Sinneseindrücke: Auf dem Schlachtfeld sah man Leichen, Blutströme, zerfetzte Körper, abgerissene Gliedmaßen, gewaltige Zerstörungen und Chaos. Der Gefechtslärm war ohrenbetäubend: Unentwegt »knatterte« das Stakkato der Maschinenwaffen, knallte es aus Gewehren, Granatwerfern und Geschützen, übertönt noch durch Einschläge und Detonationen, »alles brannte und alles krachte«. Zum Geräuschpegel des Krieges gehörten nicht zuletzt die Schreie und das »Heulen« der Verwundeten. Geschosse und Splitter konnten jeden jederzeit treffen. Die Männer standen unter höchster Anspannung. Starke Emotionen durchschossen sie, gemischt aus Angst
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