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Kaltes Blut

Kaltes Blut

Titel: Kaltes Blut
Autoren: Andreas Franz
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Sonja telefonischnicht erreichen konnte, bin ich auf den Hof gefahren, um zu sehen, ob sie dort ist. Sie haben mich nicht kommen hören, weil der Regen so heftig auf das Dach geprasselt ist. Und da habe ich sie gesehen, Sonja und Helena. Sie waren im Stall in einem kleinen Nebenraum, zu dem nicht jeder Zutritt hat. Ich habe ihre Stimmen gehört und was sie gesagt haben, und ich habe sie gesehen, sie aber mich nicht. Helena und Sonja haben sich köstlich amüsiert …«
    »Wieso sind Sie nicht dazwischengegangen? Sie hätten doch Ihre Frau zur Rede stellen können …«
    »Keine Ahnung. Es war, als ob mir jemand ein Messer in den Rücken gestochen hätte. Ich war unfähig, etwas zu sagen. Ich bin einfach nur zum Auto gegangen und nach Hause gefahren. Und dort habe ich so getan, als wäre alles in Ordnung. Aber in mir war überhaupt nichts in Ordnung, da war nur noch Chaos. Ich habe mich gefragt, womit ich das verdient habe, aber ich fand keine Antwort darauf. Ein paar Tage später hat sie mir gesagt, sie möchte nicht mehr mit mir in einem Zimmer schlafen. Natürlich, dachte ich, wie kann man mit einem Mann in einem Zimmer schlafen, wo man ihn doch gar nicht mehr liebt. Hätten Sie vielleicht eine Zigarette für mich?«
    Julia Durant legte die Schachtel auf den Tisch, er bediente sich, sie gab ihm Feuer und zündete sich selbst auch eine an.
    »Danke. Aber ich habe Sonja immer noch geliebt. Ich habe mir nicht nur einmal vorgenommen, mit ihr über das zu sprechen, was ich gehört und gesehen hatte, doch ich war blockiert.«
    »Andere Männer verprügeln in solchen Fällen ihre Frauen oder trennen sich von ihnen. Warum haben Sie Ihre Wut nicht auf diese Weise rausgelassen?«
    »Ich hätte meine Frau nie angerührt. Ich hätte nie die Hand gegen sie erhoben, denn ich wollte nicht so werden wie mein Vater. Und verbal hatte ich gegen Sonja sowieso nie eine Chance. Ich habe etwas gesagt, und sie hat mich unter den Tisch geredet. Ich war in einer hoffnungslosen Situation.«
    »Und dann haben Sie die Mädchen getötet, Kerstin, Selina und Miriam. Aber das Warum ist mir immer noch ein Rätsel.«
    Kaufmann sah Durant lange an, sein Gesicht zeigte keine Regung. »Warum?« Er zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht, ehrlich. Vielleicht wollte ich diese so genannten intakten Familien zerstören, so wie meine zerstört wurde. Wissen Sie, als ich zwölf war, gab mein Vater einen Empfang. Der Bürgermeister war da, ein paar Geschäftsfreunde, die meisten davon kannte ich nicht. Ich musste einen Anzug tragen, und mir wurde vorher eingebläut, dass ich mich gefälligst anständig zu benehmen hätte.« Er lachte kurz auf, drückte seine Zigarette aus und griff automatisch nach der Schachtel, um sich eine weitere anzuzünden. »Die ersten Minuten verliefen ganz normal, wir saßen an einer langen Tafel, das Essen wurde serviert, alle tranken Wein, bis auf Emily und mich. Ich musste mal aufs Klo und bin aufgestanden, und dabei habe ich aus Versehen ein Rotweinglas umgestoßen. Ich habe mich bei der Dame, deren Kleid ich versaut hatte, entschuldigt, und ihr schien der ganze Vorfall nichts weiter ausgemacht zu haben, aber meinem Vater umso mehr. Er kam mir nach, hat mich auf mein Zimmer gezerrt, mich verprügelt, dass ich kaum noch laufen konnte, und dauernd gezischt, dass ich ein verdammter Bastard sei. Außerdem bekam ich vier Wochen Stubenarrest und durfte in der Zeit meine Mahlzeiten nicht mit den andern einnehmen. Von den Gästen hat natürlich keiner mitbekommen, was mein Vater gemacht hatte, wir waren ja die Vorzeigefamilie schlechthin. Aber in Wirklichkeit waren wir nie eine Familie gewesen. Meine Mutter hat immer nur das gemacht, was er gesagt hat, und sie macht es auch heute noch, wie ein Sklave, und Emily war sein großer Schatz.«
    »Hegen Sie Ihrer Schwester gegenüber negative Gefühle?«
    »Nein, überhaupt nicht. Emily ist einzigartig. Egal, wie schlecht es mir ging, und es ging mir oft schlecht, sie hat immer zu mir gestanden und mich getröstet. Mein Vater hat mich so oft verprügelt, ich kann es gar nicht mehr zählen. Dabei waren es meist nur Kleinigkeiten,die ihn zur Weißglut trieben, aber er fand immer einen Grund, mich niederzumachen. Emily war die Einzige in dieser Scheißfamilie, die auf meiner Seite war und bei der ich mich ausheulen konnte, auch wenn sie jünger ist als ich.«
    »Aber sie wusste nichts von Ihren Eheproblemen. Warum haben Sie nie mit ihr darüber gesprochen?«
    »Wissen Sie, es gibt einen
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