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Kaltes Blut

Kaltes Blut

Titel: Kaltes Blut
Autoren: Andreas Franz
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»Anfangs ja. Aber spätestens seit Helena wusste ich, dass Sie mich im Visier hatten. Eine innere Stimme hat mich gewarnt, mich auch noch an Helena zu vergreifen, aber wie das so ist, man hört nicht immer auf diese innere Stimme. Doch ich hätte sie unmöglich leben lassen können, denn damit wäre mein Plan nicht aufgegangen, nämlich das Böse zu vernichten.«
    »Hassen Sie Ihren Vater?«
    »Kann sein.«
    »Wären Sie in der Lage, ihn umzubringen?«
    »Möglich.«
    »Haben Sie einen Hass auf alle Menschen, die glücklich sind?«
    »Was soll diese bescheuerte Frage?! Natürlich nicht. Dann hätte ich ja auch Emily oder Andreas töten können. Nein, ich gönne jedem sein Glück, solange er dieses Glück auch verdient.«
    »Sie spielen also doch Gott«, sagte sie sarkastisch und stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch. »Sie spielen Gott, weil Sie in Wirklichkeit nichts als ein erbärmlicher Versager sind!«
    »Frau Durant, bitte, ich spiele nicht Gott. Und dass ich ein Versager bin, das weiß ich bereits seit meiner frühesten Kindheit. Das brauchen Sie mir nicht zu sagen, ich habe es zu oft gehört. Also noch mal, ich spiele nicht Gott.«
    »Doch, das tun sie! Wenn Sie sagen, dass Sie jedem sein Glück gönnen, solange er es verdient hat, dann erheben Sie sich über die andern Menschen und machen sich somit zu Gott!«
    »Wenn Sie meinen. Kennen Sie den Begriff Hybris?«
    »Ja, unser Profiler hat ihn uns erklärt. Aber sagen Sie’s mir noch mal, ich hab’s nämlich vergessen.«
    »Es kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie frevlerischer Übermut. Damit sind Menschen gemeint, die Gott ins Handwerk pfuschen und sich auf eine Stufe mit ihm stellen. Ich habe nur getan, was ich für richtig empfand. Ich denke, es ist alles gesagt. Ich wäre jetzt gerne allein, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
    »Wir sind noch längst nicht fertig, Herr Kaufmann.«
    »Ich werde im Augenblick nichts mehr sagen, ganz gleich, was Sie mich auch fragen.« Er lehnte sich zurück, die Arme vor der Brust verschränkt.
    »Also gut, ich lasse Sie in Ihre Zelle bringen, wir setzen das Verhör später fort. Möchten Sie etwas essen?«
    »Nein, danke, ich habe keinen Hunger. Ich bin nur müde. Töten kann sehr anstrengend sein, wissen Sie das?«, fragte er verklärt lächelnd.
    »Nein, zum Glück weiß ich das nicht. Aber eine Frage noch – hätten Sie auch mich getötet, wenn Sie über mein Privatleben Bescheid gewusst hätten? Hätten Sie mich getötet, wenn Sie gewusst hätten, dass bei mir auch alles, aber auch wirklich alles schief läuft?«
    Kaufmann wandte den Kopf und lächelte wieder. »Vielleicht.Läuft denn bei Ihnen alles schief? Oder sind Sie gar eine von diesen verdammten Lesben?«
    »Vielleicht«, erwiderte sie nur mit vieldeutigem Blick.
    Sie bat den vor der Tür postierten Beamten, Kaufmann in seine Zelle zu führen. Sie würde das Verhör am späten Nachmittag fortsetzen.
    Julia Durant begab sich zu ihren Kollegen und steckte sich mit zittrigen Fingern eine Gauloise an.
    »Was denkt ihr über ihn?«, fragte sie.
    »Eiskalt bis ins Mark«, sagte Hellmer. »Er kennt keine Gefühle.«
    »Doch, er kennt schon Gefühle, er ist aber nicht mehr in der Lage, sie irgendwem zu zeigen«, sagte sie nachdenklich.
    »Julia, er hat sechs Menschen auf dem Gewissen. Fang jetzt bitte nicht an, Mitleid mit ihm zu haben. Er allein trägt die Verantwortung und niemand sonst. Und er wird für den Rest seines Scheißlebens hinter Gitter wandern.«
    »Ich weiß. Trotzdem darf ich mir doch wohl meine eigenen Gedanken machen. Einer wie er wird nicht einfach so zum Killer. Ich will von ihm seine ganze Geschichte hören, jedes gottverdammte Detail.«
    »Das ist doch nur, weil du ihn eigentlich nett findest«, bemerkte Hellmer mit ironischem Grinsen.
    »Richtig«, entgegnete Durant kühl. »Und gerade deshalb will ich wissen, was ihn zum Monster gemacht hat. Mich interessiert außerdem auch die Meinung von Richter.«
    »Ich möchte jetzt nicht in der Haut von seiner Frau stecken«, sagte Kullmer und gähnte laut. »Die …«
    »Die kann mich mal«, entfuhr es Durant. »Wer so auf den Gefühlen anderer rumtrampelt, ist bei mir unten durch. So, ich hab Hunger. Kommt jemand mit?«
    »Ja, ich«, brummte Hellmer. »Wo gehen wir hin? Zum Jugoslawen? Ich lad dich auch ein.«
    »Von mir aus. Bis nachher.«
    Sie blieben fast zwei Stunden im Restaurant, unterhielten sich lange über die Kaufmanns, die Gerbers, die Malkows. Julia Durant ließ um
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