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Kalter Weihrauch - Roman

Kalter Weihrauch - Roman

Titel: Kalter Weihrauch - Roman
Autoren: Gmeiner-Verlag
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schickte sich an, über den Abhang in das Wäldchen zu klettern. Krinzinger hob die Hand.
    »Halt!«
    Er war selbst verblüfft, wie gebieterisch er klang. Solch eine Geste war ihm noch nie gelungen, in all den Jahren nicht. Aber alle hielten inne, sogar die Frau verstummte. Die Gesichter wandten sich ihm zu, verblüfft, sensationslüstern, zum Widerspruch bereit. Jetzt durfte ihm kein Fehler unterlaufen. Wenn es ihm jetzt nicht gelang, Autorität zu zeigen, dann würden die ersten Schaulustigen innerhalb weniger Minuten sämtliche Spuren zertrampeln, und das Chaos würde ausbrechen. Der Schweiß rann ihm über den Rücken, aber seine Stimme klang fest.
    »Ich bin Bezirksinspektor Krinzinger. Leider besteht die Möglichkeit, dass es in dem Wald hinter mir einen Unfall mit Todesfolge gegeben hat. Das Gebiet ist ab sofort gesperrt. Jeder, der es zu betreten versucht, macht sich strafbar und hat mit einer sofortigen Anzeige zu rechnen.«
    Die Leute glotzten ihn an. Eine Frau zog ihre beiden Kinder weg, dafür drängelten andere nach. Krinzinger nestelte sein Handy aus der Jackentasche und hoffte, dass das Zittern seiner Hände in der Dunkelheit nicht auffallen würde. Sein Kollege Gmoser, der heute Abend Dienst hatte, meldete sich nach dem dritten Klingeln.
    »Poli…«
    »Ich bin’s, Krinzinger. Du musst sofort herkommen, zum Musikpavillon beim Weihnachtsmarkt. Und gib allen anderen Bescheid, egal ob sie Bereitschaft haben oder nicht. Wir brauchen jeden Mann.«
    »Aber wieso …«
    »Frag nicht! Sofort!«
    Er beendete das Telefonat. So hatte er noch nie mit dem Gmoser gesprochen. Die Menschen wurden immer mehr, offenbar verbreitete sich die Nachricht vom grausigen Fund gerade wie ein Sternschnuppenregen zwischen den Ständen. Krinzinger stellte sich so breitbeinig in den Schnee, wie es der Schwarzenegger Arnold in seinen Filmen immer gemacht hatte. Conan der Barbar! So einen hätte er jetzt brauchen können an seiner Seite! Einen, der ohne Furcht und … und dann wusste er plötzlich, wen er anrufen, wen er um Hilfe bitten musste. Die Erleichterung durchflutete ihn so überwältigend wie das Aufrichten nach dem Holzhacken. Er warf der drängelnden Menge einen Blick zu, der das Tuscheln und Murren schlagartig dämpfte. Dann holte er wieder sein Handy hervor und klickte sich durchs Menü. Über ein Jahr war es her, dass er diese eine Nummer gespeichert hatte, dass er diese ruhige, gelassene Stimme gehört hatte. Krinzinger drückte die Wähltaste. Herrgott, mach, dass er abhebt!

    *

    Die Autos draußen vor den Fenstern pflügten durch den braunen Matsch, der am Nachmittag noch weißer Schnee gewesen war, wenigstens eine Viertelstunde lang. Es klang, als ob sie durch Brei fahren würden. Leo Attwenger knackte mit den Fingerknöcheln, diese Unart konnte er sich einfach nicht abgewöhnen. Besonders wenn er grantig war. Wie heute, an diesem Freitagabend, das erste Adventwochenende hatte gerade begonnen. Am Domplatz würde es jetzt schon hoch hergehen, bei Glühwein und heißen Maroni und Schmalzbroten mit ordentlich Zwiebel obendrauf. Nur er hockte hier in diesem trostlosen Kabuff, das sich Büro nannte, und musste noch Dienst schieben bis um zehn. Dem Chef ging es allerdings auch nicht besser, der saß im Nebenzimmer und brütete über Stapeln von Unterlagen, die die Svetlana vom Übersetzungsbüro am Vormittag gemailt hatte. Ein prominenter Anwalt war erdrosselt worden, der sich auf Geschäfte mit der Russenmafia eingelassen hatte. Illegale Wettbüros, wo vor allem Zuwanderer aus dem Osten zockten. Die Stadtverwaltung versuchte zwar, das Problem in den Griff zu bekommen, aber der mit allen Wassern gewaschene Winkeladvokat hatte immer wieder ein Schlupfloch gefunden, durch das die Betreiber entwischen konnten. Einstweilige Verfügung, Einspruch, Anzeige auf freiem Fuß, haha. Die Kellner in den Cafés mit den fensterlosen Hinterzimmern lachten den Kollegen vom Referat für Geldwäsche und vom Büro für Bekämpfung der organisierten Kriminalität frech ins Gesicht. Und der prominente Anwalt war in seinem pompösen Büro am Salzachkai gesessen und hatte ganz unverhohlen mit seinen Beziehungen bis in die höchsten Petersburger Kreise geprahlt und mit seinen Jagdausflügen zum Ural. Aber dann hatte er den Hals offenbar nicht voll genug kriegen können oder ein wenig zu laut geprotzt, das hatten die Herren nicht gern, die sich die teuersten Penthäuser und Villen zulegten so lässig wie ein kleiner Kriminalbeamter ein Paar
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