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Kalter Tod

Kalter Tod

Titel: Kalter Tod
Autoren: Michael Connelly
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dass er auf dem Sitz lag, deutete darauf hin, dass der Tote wahrscheinlich allein zum Aussichtspunkt gekommen war. Er hatte sich mit seinem Mörder erst hier oben getroffen und ihn nicht nach hier oben mitgenommen. Das, dachte Bosch, könnte wichtig sein.
    Er öffnete das Handschuhfach, und mehrere weitere Namensschilder wie das an der Leiche gefundene purzelten ihm entgegen. Er hob eins nach dem anderen auf und stellte fest, dass jeder Ausweis von einem anderen Krankenhaus der Stadt ausgestellt worden war. Aber auf jeder Schlüsselkarte war der gleiche Name und das gleiche Foto. Stanley Kent, der Mann, von dem Bosch annahm, dass er tot auf dem Aussichtspunkt lag.
    Auf der Rückseite mehrerer Namensschilder entdeckte er handschriftliche Notizen. In den meisten Fällen waren es Nummern mit den Buchstaben L oder R am Schluss. Daraus schloss er, dass es Kombinationen für Schlösser waren.
    Bosch schaute tiefer in das Handschuhfach und fand weitere Ausweise und Schlüsselkarten. So, wie es sich ihm inzwischen darstellte, hatte der Tote – falls er Stanley Kent war – freien Zugang zu so ziemlich jedem Krankenhaus in Los Angeles County gehabt. Außerdem hatte er die Kombinationen von Sicherheitsschlössern in fast jedem dieser Krankenhäuser. Bosch spielte kurz die Möglichkeit durch, dass die Ausweise und Schlüsselkarten gefälscht und vom Opfer für irgendeine krumme Tour in Zusammenhang mit Krankenhäusern verwendet worden waren.
    Schließlich legte er alles wieder in das Handschuhfach zurück und schloss es. Dann schaute er unter und zwischen die Sitze, fand aber nichts, was seine Aufmerksamkeit erregte. Er zog sich rückwärts aus dem Auto zurück und ging zur offenen Haube.
    Der Kofferraum war klein und leer. Im Schein der Taschenlampe konnte Bosch jedoch vier Einkerbungen in der Bodenmatte erkennen. Offensichtlich war dort etwas Schweres, Viereckiges mit vier Beinen oder Rädern befördert worden. Weil der Porsche mit geöffnetem Kofferraum entdeckt worden war, war es wahrscheinlich, dass dieser Gegenstand im Zug des Mordes entfernt worden war.
    »Detective?«
    Bosch drehte sich um und richtete den Strahl der Taschenlampe in das Gesicht eines Streifenpolizisten. Es war der Officer, der an der Absperrung seinen Namen und seine Dienstnummer notiert hatte. Er senkte die Lampe.
    »Was gibt’s?«
    »Eben ist eine FBI-Agentin angekommen. Sie bittet um Erlaubnis, den Tatort betreten zu dürfen.«
    »Wo ist sie?«
    Der Polizist ging mit Bosch zu der Absperrung zurück. Als sie sich dem gelben Band näherten, sah Bosch eine Frau an der offenen Tür eines Autos stehen. Sie war allein, und sie lächelte nicht. Bosch spürte den Schlag eines unangenehmen Wiedererkennens auf seiner Brust.
    »Hallo, Harry«, sagte sie, als sie ihn sah.
    »Hallo, Rachel«, sagte er.

2
    Es war fast sechs Monate her, dass er Special Agent Rachel Walling vom Federal Bureau of Investigation zum letzten Mal gesehen hatte. Aber als er an der Absperrung auf sie zuging, war er sicher, dass seither kein Tag vergangen war, an dem er nicht an sie gedacht hatte. Er hätte allerdings nie geglaubt, dass sie sich – falls sie sich je wieder sehen sollten – mitten in der Nacht am Tatort eines Mordes begegnen würden. Sie trug eine Jeans, ein Oxford-Hemd und einen dunkelblauen Blazer. Ihr dunkles Haar war nicht gekämmt, aber sie sah trotzdem schön aus. Offensichtlich hatte sie genau wie Bosch zu Hause einen Anruf erhalten. Sie lächelte nicht, und Bosch wurde daran erinnert, wie unerfreulich ihre letzte Begegnung geendet hatte.
    »Ich weiß zwar, ich bin dir aus dem Weg gegangen«, begann er, »aber das ist doch noch lange kein Grund, mich deswegen ausgerechnet an einem Tatort aufzuspüren, bloß um …«
    »Das ist wirklich nicht der Zeitpunkt für irgendwelche Witze«, schnitt sie ihm das Wort ab. »Jedenfalls nicht, wenn das hier ist, was ich denke.«
    Zum letzten Mal hatten sie beim Echo-Park-Fall miteinander zu tun gehabt. Damals hatte sie für eine dubiose FBI-Einheit gearbeitet, die sich Tactical Intelligence Unit nannte. Sie hatte ihm nie erzählt, was diese Einheit machte, und er war nicht weiter in sie gedrungen, weil es für die Echo-Park-Ermittlungen unerheblich war. Er hatte sich ursprünglich wegen ihrer früheren Tätigkeit als Profiler an sie gewandt – und wegen ihrer gemeinsamen Vergangenheit. Beim Echo-Park-Fall war einiges schiefgelaufen, und damit hatten sich auch alle Aussichten auf eine Wiederbelebung ihrer Beziehung
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