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Kalter Mond

Kalter Mond

Titel: Kalter Mond
Autoren: Giles Blunt
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wenn sie nichts von ihm hörten, würden sie ein Einsatzkommando mobilisieren. Oder war das nur Wunschdenken seinerseits? Sein Herz pochte laut, und der Schweiß lief ihm von der Stirn.
    Die Reihe Hütten vor ihnen war völlig dunkel.
    »Sie scheinen kein Glück zu haben«, sagte Cardinal.
    »Es gibt noch eine Hütte da hinten. Vorwärts.«
    Cardinal stolperte über eine Wurzel und fiel beinahe hin. Dann erschien vor ihnen im Dickicht plötzlich eine weitere Hütte. Sie war weitaus heruntergekommener als die übrigen und sah aus, als hätte sie vielleicht einmal als Geräteschuppenoder dergleichen gedient. Von innen waren Stimmen zu hören.
    Clegg rief laut: »Hey, Red Bear!«
    Die Tür ging auf, und ein Mann kam heraus. Schulterlanges Haar, mit einem Stirnband zurückgehalten. Dennoch unschwer zu erkennen.
    »Mr. Beltran«, sagte Cardinal. »Es ist aus. Egal, was Sie hier und jetzt tun, es ist endgültig aus. Weitere Polizisten sind unterwegs.«
    »Wieso bringst du den her?«, sagte Beltran zu Clegg.
    »Hab ich nicht. Er bringt mich.«
    Beltran kam die Treppe herunter. Eine lange Klinge blitzte in seiner Hand. Seine Augen waren transparent, wie tot.
    »Seien Sie klug«, sagte Cardinal. »Wenn ich hier bin, heißt das, andere kommen bald nach. Sie können sich ergeben, oder Sie können abhauen. Alles andere macht es nur noch schlimmer.«
    »Gewiss, und zwar für Sie«, sagte Beltran. Er kam noch einen Schritt näher. Die Klinge blitzte. »Dafür würde mein kleiner Freund hier sorgen. Wenn wir Sie nun …«
    »Was zum Teufel hat der hier zu suchen?«
    Cardinal erkannte Leon Rutkowski an der Narbe auf seiner Stirn, doch Rutkowski sah nicht Cardinal an, sondern Clegg.
    »Hi, Leon«, sagte Clegg. »Lange nicht gesehen.«
    »Der Scheißkerl hat mich für acht Jahre eingebuchtet, Mann.«
    »Keine Sorge«, sagte Beltran. »Er ist ein Freund von uns. Du wirst beschützt, schon vergessen?«
    »Mounties sind keine Freunde von mir.«
    »Jetzt schon.«
    »Leon«, sagte Cardinal. »Sie kennen mich nicht. Ich bin bei der Kripo Algonquin Bay, nicht bei der RCMP. Corporal Clegg mag ja mit Mr. Beltran hier zusammenarbeiten, aber ichnicht. Und eins kann ich Ihnen sagen: Ihnen bleiben ungefähr fünf Minuten, bevor es von Beamten der städtischen Polizei nur so wimmelt; die nächsten Entscheidungen, die Sie treffen, werden also wichtig für Sie sein. Ich an Ihrer Stelle würde mich verziehen.«
    Rutkowski rieb sich die Narbe an der Stirn.
    »Wie haben Sie ihn genannt?«
    »Raymond Beltran. Ursprünglich aus Kuba. Jetzt gesucht wegen Folterung und Mord in mehreren Fällen in Miami. Ganz zu schweigen vom Mord an einem Viking Rider namens Wombat Guthrie, aber ich vermute mal, davon wussten Sie.«
    »Beltran klingt nicht besonders indianisch«, sagte Leon.
    Beltran zuckte die Achseln. »Ich benutze den Namen, der mir gerade nützlich scheint. Unsere Lieferanten waren eher geneigt, einem Indianer zu vertrauen. Egal, was kümmert’s dich?« Beltran wies mit der Spitze seines Messers auf ein Medaillon auf Leons Brust. »Solange du das da trägst, musst du dir um nichts Sorgen machen. Das ist eine Kraft, von der Indianer nicht einmal träumen können.«
    »Was willst du mit dem Kerl machen?«, fragte Clegg. »Offensichtlich können wir ihn nicht in die Stadt zurücklassen.«
    »Oh, bring ihn rein.« Red Bear zeigte mit dem Messer auf die Hütte; rostfreier Stahl blitzte auf. »Er wird uns gute Dienste leisten.«
    Cardinal spürte, wie sich ihm die Beretta in die Wirbelsäule bohrte.
    Ein Dröhnen von näher kommenden Motoren hallte plötzlich durch die Bäume.
    »Ich sage es ja nur ungern, aber …«, bemerkte Cardinal. Lise Delorme, dachte er, dafür kriegst du einen großen, dicken Kuss von mir.
    »Bullen, Mann.« Leons Augen wirkten ein wenig wild.»Machen wir verdammt noch mal, dass wir hier rauskommen.«
    »Weglaufen führt zu nichts, Leon«, sagte Beltran. »Lass mich die Sache in die Hand nehmen.«
    »In die Hand nehmen? Da ist eine Armee von Bullen im Anmarsch, und du willst das in die Hand nehmen?«
    Beltran legte ihm die Hand auf den Arm. Es war eine seltsam zärtliche Geste unter den gegebenen Umständen. »Du hast gesagt, du vertraust mir«, sagte er. »Jetzt wird dieses Vertrauen auf die Probe gestellt.«
    »Ich vertraue dir.«
    »Ich will, dass du mir absolut vertraust. Für immer.«
    »Ich hab gesagt, ich vertraue dir, Mann.«
    »Gut, wir haben einen Bullen als Geisel. Es gibt keinen Grund, abzuhauen.«
    Das Motorendröhnen
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