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Kalteis

Kalteis

Titel: Kalteis
Autoren: Andrea Maria Schenkel
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Zustand hätte ich das doch nie getan. Ein Ausrutscher war das, ein Ausrutscher! Ich hab doch Frau und Kinder!! Ich bin ein guter Vater... Ein aufrechter Deutscher. - Nur weil Sie in dieser Gegend seit fahren nach einem suchen ... Ich weiß selber, dass ich eine furchtbare Dummheit gemacht habe und das mit dem Mädchen, das habe ich gemacht, dazu stehe ich, aber mit all den anderen Fällen habe ich nichts, aber auch gar nichts zu tun. Beweisen Sie mir das, das müssen Sie mir erst einmal beweisen. Ja, beweisen müssen Sie mir das erst einmal. Zeigen Sie mir doch Ihre Beweise. Nichts werden Sie finden. Gar nichts! Ich hab nichts zu verbergen. Nichts!

Sonntagmorgen
    Im Halbschlaf noch, kurz vor dem Erwachen, hört sie die Stimmen. Zuerst weit weg, wie vom anderen Ende einer großen Halle. Immer lauter werden sie. Die Frauenstimme der der Mutter nicht unähnlich, rau, heiser. Die Geräusche der Küche, Klappern von Geschirr, dazwischen das Greinen eines kleinen Kindes. Immer näher kommen sie, deutlicher werden sie. Ziehen mehr und mehr weg vom Schlaf hinüber in das Erwachen. Kathie öffnet die Augen. Das Zimmer klein, die Vorhänge zugezogen. Dennoch fällt durch den dünnen Stoff der geschlossenen Vorhänge genügend Licht in den Raum, taucht diesen in ein weiches Dämmerlicht. Still auf dem Rücken liegt sie. Nur der Blick gleitet durch den Raum. Wandert die Decke entlang, die Wände hinab, hinüber in Richtung Fenster. Ein kleines Zimmer ist es, eher eine Kammer. Die Bettstatt aus Holz, die Kommode mit Waschschüssel und Krug darauf. In der Ecke gleich neben der Tür der Schrank. Die Luft im Raum riecht abgestanden, leicht modrig, feucht. Die Wände vergilbt. Alles ist ihr fremd, für einen Augenblick weiß sie nicht, wo sie ist, wie sie hierherkam. Langsam, ganz langsam kehrt die Erinnerung zurück.
    Kathie richtet sich auf in ihrem Bett. Sie sieht die Kleider über dem Stuhl. Den grünen Mantel und darüber das blaue Kleid, die Strümpfe. Alles, wie sie es am Vortag hingelegt hat, ehe sie in das klamme Bett schlüpfte. Reibt sich die Augen, gähnt. Weiß wied er, wo sie ist und wie sie hier herkam, am gestrigen Tag .
    An die Zugfahrt mit der Maria erinnert sie sich. An die Lederer, die die beiden Mädchen von der Bahn abholte. Am Bahnsteig stand sie, als der Zug in den Bahnhof einfuhr. Erkannt hatte Kathie sie sofort. Noch ehe die Lederer selbst die Mädchen entdeckte. Sah sie doch der Mutter der Maria wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich.
    Die Begrüßung ein kurzer, knapper Handschlag. Mehr nicht.
    Mit den beiden Mädchen ist sie vom Hauptbahnhof direkt zu sich nach Hause in die Lothringerstraße. Dort in der Wohnung saßen sie auf dem Kanapee in der Wohnküche, Maria neben Kathie. Einen Tee haben sie getrunken. Still saß Kathie da. Stumm sah sie sich im Zimmer um. Hell und geräumig war die Küche. Das Küchenbüfett weiß lackiert, mit Vorhängen hinter gläsernen Scheiben. Ein Sterbebild, eine Postkarte, eingeklemmt zwischen Glas und Rahmen. Vor dem Fenster ein Vogelkäfig mit einem Kanarienvogel. Gelb war der, und Kathie musste die ganze Zeit zu ihm hin überschauen, während Maria neben ihr nicht aufhören wollte zu plappern. Wie ein Wasserfall redete sie. Erzählte von ihrer Mutter, der Schwester der Lederer, die im Sommer noch ein Kind bekommen hatte. Von ihrem Stiefvater, dem Merl-Bauern, der Hopfenernte, den fallenden Preisen, den Leuten im Dorf. Erzählte, wer geheiratet hatte, wer krank und wer gestorben war. Redete und redete. All den Tratsch und Ratsch, die ganzen Geschichten, die zu hören Kathie bereits leid war. Der Vogel hüpfte von Stange zu Stange, plusterte sein Gefieder, fing an sich zu putzen.
    Kathie wandte den Blick ab, vom Käfig weg hinüber zur Lederer. Sie hatte den Eindruck, auch diese würde sich nicht für das Gewäsch der Maria interessieren. Wäre der Geschichten des Mädchens längst überdrüssig. Aber Maria hörte nicht auf zu reden.
    Kathie saß da, den kleinen, blauen Hut auf dem Kopf.  Den Hut mit den weißen Bändern. Die Teetasse in der Hand. Wie eine feine Dame hielt sie sie. Nur mit dem Zeigefinger und dem Daumen, den kleinen Finger abgespreizt. So hatte sie es gesehen auf Bildern in Magazinen. Sie träumte sich hinüber zu dem Käfig, durchs Fenster hindurch, hinaus auf die Straße. Träumte von der Stadt, die sie erwartete, von dem neuen Leben. Ob sie die Kappe denn nicht abnehmen möchte, fragte sie die Lederer. Kathie schüttelte nur den Kopf. Hatten nicht
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