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Kalteis

Kalteis

Titel: Kalteis
Autoren: Andrea Maria Schenkel
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der Franz. Der arbeitet doch jetzt in München? Komm setz dich her, Mädel, gleich kriegst an Kaffee und er zähl, wie es war, drüben beim Sedlmayer!«
    So hab ich mich aufs Kanapee gesetzt und der Mutter beim Kaffeekochen zugeschaut. Wie sie fertig war, ist sie mit zwei Hafen voll Kaffee zu mir zum Kanapee. Hergesetzt hat sie sich und den Kaffee vor uns auf den Tisch gestellt.  Dagesessen sind wir und haben geredet. Über den Ball und wer alles da war. Und nach und nach bin ich immer müder geworden. An die Mutter angelehnt habe ich mich, und wie ich dann zum Gähnen gar nicht mehr aufhören konnte, da meinte sie: »Jetzt wird’s Zeit für dich. Jetzt legst dich ein bisserl hin. Heut ist Sonntag und du hast ja frei. Den Kirchgang, den kannst heute auch einmal verschieben. Dem Herrgott, dem macht das nichts aus.«
    So bin ich dann aufg estanden und rüber in meine Kam mer gegangen. Auf das Bett setzte ich mich, und gerade, wie ich anfange, meine Joppe aufzuknöpfen, da habe ich die Mutter rufen hören.
    »Na, da schau einer sich doch das einmal an. Beim Sedlmayer muss es ja ziemlich zugegangen sein. Jetzt liegen die Liebespaare schon direkt vor unserem Gartenzaun, auf den Ranken im Schnee. Magda, komm einmal her. Schau dir das an.«
    Ich bin noch mal rüber zu meiner Mutter in die Küche. Sehen wollte ich es mit eigenen Augen, sonst hätte ich es gar nicht glauben können. Wirklich, direkt vor unserem Gartenzaun lagen zwei im Schnee.
    »Na so was, dass es denen nicht zu kalt ist?«
    Da, in dem Moment, ist der Mann hoch. Seinen Mantel zugeknöpft und umgeschaut hat er sich. Und dann ist er in Richtung Aubing davon.
    Das Mädel, zuerst ist es liegen geblieben. Erst als er schon weg war, ist es mühsam aufgestanden aus dem Schnee.
    Ich sage das Mädel, denn jetzt konnte ich sehen, dass das wirklich noch ein Mädel war. Ein ganz junges Ding. Aufgestanden ist es und auf unser Haus zugelaufen.
    »Da stimmt was nicht!« Sehen konnte man, dass da was nicht stimmte.
    Schnell meine Joppe wieder zugeknöpft, in die Schlappen und den Mantel rein. Raus aus dem Haus, schauen wollte ich, was da los war. Da ist es mir schon in die Arme gelaufen. Ganz aufgeregt war’s. Ich hab ihr die Haare aus der Stirn gewischt und ihr ins Gesicht geschaut, da sah ich, dass es die kleine Gerda war. Das Pflegekind von den Meierschen.
    Ich sag noch: »Gerda, w as ist passiert? Was hast du ge macht?«
    Da fing die Gerda zum Weinen an.
    »Der hat mich am Hals gepackt. Am Hals hat er mich ge packt, den Rock hochgeschoben und die Unterhose hat er mir ausgezogen.«
    Kaum verstanden hab ich sie. Gestoßen hat es sie, richtig gestoßen. Nur immer »am Hals hat er mich gepackt, die Hose und in den Schnee hat er mich gedrückt«.
    Die Mutter, die gleich hinter mir aus dem Haus raus ist, nahm die Kleine in den Arm. An sich gedrückt hat sie die Gerda, das Häuflein Elend.
    »Wie ein kleines Vögelchen«, hab ich mir noch gedacht. Die Gerda hat ausgesehen wie ein kleines, zerrupftes Vö gelchen, das der Katze noch einmal ausgekommen ist. So sah sie aus, wie sie sich von der Mutter ins Haus hat führen lassen. Mit hängenden Kopf und Schultern, zusammenge zuckt ist sie bei jedem Schluchzer.
    Die Mutter hielt sie im Arm, ganz fest, und gesagt hats nur: »Komm rein in die warme Stube. Es wird jetzt alles gut. Brauchst dich nicht zu schämen. Komm rein. Und erzähl mir alles.«
    Die Wut hat mich gepackt, wie ich das gesehen hab. Darum bin ich auf m ein Fahrrad und dem Kerl nachge fahren. Ich wollte den nicht so ohne Weiteres davonkommen lassen. Den nicht! Angst hatte ich keine, nur eine ungeheure Wut im Bauch. Eine furchtbare Wut. Des halb hab ich mich auf s Fahrrad gesetzt und bin losge radelt. Hinter ihm her wollte ich, ihn nicht entwischen lassen.
    Gesehen hatte ich ja noch, dass der in Richtung Aubing davon ist. Geradelt und geradelt bin ich.
    Beim Zacherl oben, da ist die Frau Schreiber auf ihrem Fahrrad vor mir her. Ich bin noch schneller in die Pedale getreten. Einholen wollte ich sie, fragen, ob sie den Mann gesehen hat.
    »Nein, hier ist keiner entlanggelaufen. Den hätte ich sehen müssen, drüben zwischen den Krautgärten muss der abgebogen sein.«
    Der Schreiber hab ich noch gesagt, nein, zugerufen hab ich ihr: »Der hat die kleine Gerda überfallen!« Herausgeschrien hab ich das: »Der Hund hat die Gerda überfallen!« Während ich bereits mit meinem Fahrrad in Richtung zu den Krautgärten unterwegs war.
    Ich bin den Weg zwischen den Hecken rüber
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