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Kalteis

Kalteis

Titel: Kalteis
Autoren: Andrea Maria Schenkel
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Rolle der Mutter.
    »Gestohlen«, sagte die zu Kathie. »Gestohlen hast du sie. Ich kann dich nicht mehr mitnehmen, wenn du so was machst.«
    Kathie musste das Kleinod zurückbringen. Die Mutter schubste sie vor sich her zurück in das Geschäft. Die Scham darüber kann die Kathie heute noch fühlen, aber die Hof mann schimpfte sie nicht, nur gelacht hat sie und gesagt: »Die Roten gefallen mir auch am besten. Nehmens das nicht so ernst, Frau Hertl, die Kathie ist doch ein kleines Kind.«
    Der Familie Hofmann schrieb sie, ob sie ihr nicht helfen könnte bei der Stelle in München. Als Dienstmädchen woll te sie arbeiten. Zuerst einmal als Dienstmädchen. Bei einem Rechtsanwalt oder Künstler oder sonst einer dieser reichen Münchner Familien. Sicher war sie sich, die Hofmanns, die würden ihr helfen, die müssen doch solche Leute kennen. Bei denen kaufen doch immer die ganzen Damen ein. Hat sie sie doch mit eigenen Augen gesehen, als sie da war in München, mit der Mutter, zum Stoffe einkaufen. Die Damen mit den Hüten und den Pelzen. Schuhe mit Absätzen haben sie alle getragen und Seidenstrümpfe. Solche wollte sie auch besitzen. Feine Schuhe würde sie sich kaufen und seidene Strümpfe. Gleich von ihrem ersten Geld würde sie das machen. Aussehen möchte sie wie eine dieser Damen aus der Stadt.
    Der Zug hält auf freier Strecke an. Kathie sieht aus dem Fenster, an das noch immer der Regen in großen, schweren Tropfen fällt. Langsam fährt der Zug wieder an. Maria hat einen festen Schlaf, weder das Ruckeln des Zuges noch das Anfahren lässt sie hochschrecken.
    Genau wie Kathie will sie sich eine Stelle in München suchen. Diese ist nicht glücklich darüber, sie am Rockzipfel hängen zu haben. Aber sie wird sie schon loswerden, da ist sie sich sicher. Wenn sie nur erst in München sind. Kathie sieht wieder aus dem Fenster, diesmal ist ihr Kopf leer. Sitzt einfach nur da und schaut den Regentropfen zu, wie diese ihre Bahnen am Fenster ziehen.
    Kurz vor München ist die Maria doch noch wach geworden . Gegenseitig helfen sie sich und heben die Koffer aus dem Gepäcknetz. Jede hat einen kleinen Koffer bei sich. Nicht viel. Aber das Wenige ist alles, was Kathie hat. Extra für die Fahrt hat sie ihren schönen, grünen Mantel angezogen, den mit den großen, grünen Knö pfen und dem Gür tel, den kleinen, blauen Hut mit den hellen Bändern, den sie sonst nur am Sonntag in der Kirche trägt.

Gerda
    Der 18. Februar, das war der Faschingssamstag. Dienstbo tenball beim Sedlmayer in der Wirtschaft. Da ist immer was los. Jedes Jahr. Immer druckt voll ist es bei denen, droben im Ballsaal. Aus der ganzen Umgebung kommen die Leute. Ist ja a uch der Höhepunkt der Faschings saison. Da kann man nicht fehlen. Freilich bin ich auch hin, was denken Sie denn? Getanzt und geratscht habe ich die ganze Nacht u nd ein bisschen rumpoussiert na türlich auch. Mit dem Franz. Der war früher in Aubing in Stellung, jetzt ist er aber zu München drinnen in einer Fabrik.
    Was er da genau macht? Kann ich nicht sagen, das weiß ich nicht. Aber küssen kann der ziemlich gut, das kann ich Ihnen sagen. Deshalb ist es ja auch so spät oder, besser ge sagt, so früh geworden.
    Bis vor die Haustür hat er mich noch begleitet und dann ist er zum Bahnhof. Zu Fuß.
    Fünf in der Früh war’s, wie ich in die Küche rein bin. Warum ich das so genau weiß? Ich hab auf den Regulator geschaut, der bei uns in der Küche in der Ecke hängt. Gleich neben dem Kanapee.
    »Volk ans Gewehr« spielt der zu jeder vollen Stunde. In dem Augenblick, wie ich also die Küchentür aufmache, ist es fünf und der Regulator schlägt mir »Volk ans Gewehr« entgegen. Ich bin so erschrocken, beinahe hätte ich laut aufgeschrien. Im letzten Augenblick habe ich mich noch gefangen. Ich wollt nicht, dass die Mutter wach wird und  merkt, dass ich gerade erst heimgekommen bin. Das wäre mir nicht recht gewesen.  Ich bin rüber zum Wasserhahn, um mich abzuwaschen. Eiskalt war das Wasser aus der Leitung. Richtig gut getan hat mir das kalte Wasser. Wie ich mir das Gesicht abtrock ne, kommt die Mutter herein. Gesagt hat sie nix, aber g e schaut hat sie schon ein bisschen.
    »Magst an Kaffee, bevor du ins Bett gehst? Der würde dir bestimmt gut tun!«
    »Ja, Mutter, das wäre jetzt gut.«
    »War ziemlich was los drüben beim Sedlmayer, weilst gar so spät dran bist?«
    »Ja, voll war's und schön, wie immer. Den Franz hab ich auch getroffen und der hat mich heimbegleitet.«
    »So, so,
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