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Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten

Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten

Titel: Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten
Autoren: Werner Toporski
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wieder auf.
    Staszek ist jetzt sauer, das sieht man. Er lässt Max seine Kraft spüren und zeigt ihm, wer das Sagen hat. Der Zweijährige versucht zwar immer wieder, ihn loszuwerden, und wendet alle Tricks an, die ein Pferd so drauf hat, aber Staszek lässt ihm nichts durchgehen, nichts und gar nichts.
    »Klasse!«, rufe ich aus dem Fenster.
    Huppe knufft mich: »Ruhig, du! – Du weißt doch, dass man beim Zureiten still zu sein hat!«
    Wie der sich wieder aufspielt! – Idiot!
    Als Staszek absteigt, ist er zufrieden und lacht.
    Mama freut sich mit. »Der wird!«, sagt sie und Staszek nickt.
    »Kriegen wir das schon!«, sagt er grinsend. Er spricht gut Deutsch, aber es klingt immer ein bisschen lustig.
    »Hej Wacek! Co słychać?« 1 , ruft Staszek auf einmal.
    Wir schauen uns um und sehen Wacek über den Hof schlendern. Wacek gehört nicht zum Hof, kommt aber immer wieder hierher und hilft auch manchmal. Was er eigentlich macht, weiß keiner so genau, nur dass er nach Kutno fährt und dort wohl irgendeine Arbeit hat.
    »Pferd gut!«, sagt er anerkennend zu Mama.
    Aber dann wendet er sich zu Staszek und sagt etwas, was wir nicht verstehen. Staszek macht ein ernstes Gesicht und fragt etwas zurück. Wacek nickt, auch er ist ernst. Als Staszek sich abwendet, zischt er etwas durch die Zähne, und nach seinem Gesichtsausdruck möchte ich schwören, dass es sich dabei um so was wie »Du kannst mich mal …« gehandelt hat.
    Mama hat natürlich zugehört, aber so viel Polnisch kann sie auch nicht.
    »Was ist?«, fragt sie.
    Wacek zögert ein bisschen: »Staszek hier arbeiten – Polen das nicht mögen!«
    »Auf einmal?«
    Wacek zuckt mit den Achseln: »Zeiten ändern sich!« Mama zögert ein bisschen. Dann sagt sie langsam und nachdenklich: »Dass die Russen jetzt im Vormarsch sind, heißt noch nicht, dass sie auch den Krieg gewinnen.«
    »Kann aber sein, doch!«
    Später erzählt mir Huppe, dass er zugehört hat, wie Mama und Lisa sich unterhalten haben.
    »Wenn ich nur wüsste, was hier vorher war«, hat Mama gesagt.
    Und Lisa hat erzählt, dass manche von den Volksdeutschen 2 ein schreckliches Durcheinander auf den ihnen zugewiesenen Höfen vorgefunden hätten, so als ob da jemand alles mutwillig zerstört hätte. Sogar die Kreuze mit dem Christus darauf seien von den Wänden gerissen und zerbrochen gewesen.
    »Wer so was wohl macht?«, sagt Huppe und schaut mich fragend an.
    Und dann hat Mama noch gesagt: »Als wir hierher gekommen sind, da haben die deutschen Soldaten noch überall gesiegt und sind ganz weit hinten in Russland gewesen.« Aber jetzt müssten sie zurück und die Russen kämen immer näher. Und die Amerikaner, die kämen jetzt von der anderen Seite auch noch. In den Zeitungen heiße es zwar, der Führer werde sie alle wieder zurückschlagen und er warte bloß auf die richtige Gelegenheit. Aber sie wisse auch nicht so recht, was sie glauben soll, hat Mama gesagt.
    Und jetzt meint Huppe, Wacek und Staszek hätten vielleicht darüber geredet, was sie tun sollen, wenn wir hier wieder wegmüssen. Aber daran glaube ich nun wirklich nicht.
     
    Am nächsten Tag frage ich Mama selber, weil mir nicht alles klar ist, was Huppe mir erzählt hat.
    Erst zögert sie ein bisschen, aber dann sagt sie: »Weißt du, sie haben damals Papa gebeten, die vielen neuen Siedlerhier zu unterrichten, wie man das Land am besten bearbeitet, und deswegen sind wir hierher gekommen. Und das Gut in Schlesien hat uns ja nicht gehört, wir haben es nur verwaltet. Aber den Hof hier hat man uns übertragen. Er gehört jetzt uns.«
    Ich erinnere mich, was Huppe gesagt hat, und frage: »Und wer war vorher hier?«
    Mama guckt ganz komisch, weil sie wohl mit so einer Frage nicht gerechnet hat, aber dann sagt sie: »Ich weiß es nicht, Lena.«
    Sie will noch etwas sagen, aber dann schluckt sie es hinunter.
    »Eigentlich«, sagt sie nach einer Weile, »sind wir hier nur Gäste. Gäste auf Zeit.«
     
    Nach dem Abendessen kommt erst das Vorlesen und dann die große Wäsche mit Lappen und Seife. Lisa fängt immer mit den Kleinen an, und wir Großen haben dann noch ein bisschen Zeit, bis wir an das Becken können.
    Bei mir geht das Waschen immer ziemlich schnell, aber wenn es zu flott geht, wird Mama misstrauisch.
    »Hinter den Ohren auch!«, bekomme ich dann zu hören. »Und vor allem die Knie!«
    Das mit den Knien, muss ich zugeben, ist wirklich nötig, weil wir jetzt im Sommer den ganzen Tag auf dem Hof spielen.
    Wenn wir mit Waschen fertig sind,
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