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Kalogridis, Jeanne - Die Seherin von Avignon

Kalogridis, Jeanne - Die Seherin von Avignon

Titel: Kalogridis, Jeanne - Die Seherin von Avignon
Autoren: Unbekannter Autor
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»Rechtfertigt nicht Eure Verbrechen, indem Ihr betont, dass sie der Kirche dienen. Sybille sagt, Ihr verschlingt die Seelen der Hingerichteten, um Eure magischen Kräfte zu stärken.«
    »Warum auch nicht, wenn es Gott dient?«, entgegnete Chretien. »Ich bete dafür, dass es für sie wie das Fegefeuer ist, in dem sie allmählich ihre Erlösung erkaufen.« Entsetzt schloss Michel die Augen bei dem Gedanken an alle, die unter den Händen des Kardinals gestorben waren. »Ich vermute, jetzt wollt Ihr mich töten.«
    Da mischte sich eine Spur Zuneigung in die Worte des Kardinals. »Michel, mein Sohn ... Siehst du denn nicht, dass alles, was ich getan habe, nur geschah, um dich vor der sicheren Verdammnis zu retten, die dich erwartete? Ich will dir kein Leid zufügen, sondern dich erlösen, dir helfen, nicht eine simple Bestimmung zu erfüllen, sondern die heilige Mission, mein Nachfolger zu werden, der mächtigste Inquisitor aller Zeiten. Dir fällt die Ehre zu, die Letzten des Geschlechts aufzuspüren und zu vernichten, denn deine natürlichen Kräfte sind viel größer als meine.«
    »Mein Name ist Luc«, erwiderte er hitzig, »und ich werde auf keinen anderen Namen mehr hören, keiner anderen Bestimmung folgen.« Damit drehte er sich um und wollte gehen, entschlossen, zu seiner Geliebten zu eilen und sie zu befreien.
    »Wache«, rief Chretien, und schon verstellten zwei Männer mit gezogenem Schwert Luc den Weg. »Du bist nur verärgert aus Mitleid mit Sybille«, sagte Chretien hinter ihm, »doch morgen wird sich das ändern. Sie wird brennen, sobald der Tag anbricht, und mit ihr wird jeder Einfluss vergehen, den sie auf dich ausübt. Und du wirst dich mit Eifer auf die Suche machen nach den Überlebenden des Geschlechts und sie verfolgen bis ans Ende der Welt.« Luc starrte unverwandt auf die eisernen Klingen, die ihn bedrohten. »Ihr könnt mir nichts tun«, sagte er zu Chretien. »Ich weiß jetzt, wer ich bin, weiß, welche Kräfte ich besitze. Greift mich mit Messern an, Feind, ich kann nicht verletzt werden. Werft mich in die Flammen, und ich werde nicht verbrennen.«
    Ein stillschweigendes Zeichen musste hinter ihm gegeben worden sein, denn er sah, wie ein Wächter zustimmend nickte und wie eine Klinge, einem silbernen Blitz gleich, auf ihn zukam. Und das Eisen bohrte sich kalt und heiß in seine Schulter. Luc schrie vor Überraschung und Schmerz auf, als er von der Wucht der Klinge auf ein Knie sank.
    »Genug«, donnerte Chretien. »Bringt Leinentücher her.« Luc griff sich an die Schulter, zog die Hand fort und starrte verwirrt auf seine blutige Handfläche. Der Glaube an Sybilles Geschichte allein hatte nicht vermocht, ihm seine Kräfte zurückzugeben, und doch hatte er sich ohne Furcht gegen Chretien gestellt. Voller Verzweiflung fragte er sich: Wie soll ich sie dann retten?
    »Mein Sohn, vergib mir«, sagte der Kardinal und kam auf ihn zu. »Aber ich musste dir gewaltsam demonstrieren, dass du noch immer ein einfacher Mönch bist, nicht der Magier, der du einst warst. Du bist verwundbar, Michel. Jetzt zu ihr zu gehen mit dem Gedanken, sie zu retten, wäre barer Unsinn. Nicht alle, die ihre Hinrichtung mit Freuden erwarten, wären so nachsichtig wie ich. Man würde dich töten, und sie würde dennoch ihrer Strafe nicht entgehen. Ihr Tod wird sie ereilen, und du kannst weder so noch mit Magie etwas dagegen tun.«
    Während Chretien sprach, kam einer der Wärter mit einem dicken Stoß Leinentücher zurück und verband Lucs Schulter. Der andere stand Wache, bis die Arbeit erledigt war. Dann nahm der Kardinal einen der leeren Weinbecher, verschwand damit in einem Nachbargemach und kehrte kurz darauf zurück, den halb gefüllten Becher in der Hand. Der erste Wächter half Luc auf die Beine. »Trink«, sagte Chretien. Luc wandte das Gesicht ab.
    Spöttisch wiederholte der Kardinal: »Trink. Es ist nur ein Trank, um deinen Schmerz zu lindern und dir das Einschlafen zu erleichtern. Hat sie dich so davon überzeugt, dass ich nur zu Bosheit imstande bin? Du bist mein Sohn.«
    »Ich will nicht schlafen, während sie stirbt.« »Das sollst du auch nicht«, stimmte Chretien ihm leichthin zu. »Denn so lange, bis die Tat vollbracht ist, wirst du in meiner Nähe bleiben, falls ein anderer versuchen sollte, dir etwas anzutun. Also wirst du mich auch zu ihrer Hinrichtung begleiten.« Er hob den Kelch an Lucs Lippen, während die Wachen ihn festhielten.
    Doch Luc weigerte sich. Schließlich zwängten die Wachen ihm mit
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