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Kaktus zum Valentinstag

Kaktus zum Valentinstag

Titel: Kaktus zum Valentinstag
Autoren: P Schmidt
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Gemeinschaft wie eine Art von Therapie.
    Dafür trat ich vor zwei Jahren in die nichtschlagende, musikalische Studentenverbindung Ascania Halle-Clausthal ein, zu der auch Andreas gehörte. Ein Mensch, der stets das Gute in den Menschen sah. Mein erster freundschaftlicher Kontakt nach der Schulzeit. Er hatte mich in die Verbindung eingeführt. Und das, obwohl ich weder wirklich gut singen noch ein Instrument spielen konnte. Mit Andreas erlebte ich einsame Wanderwege im Oberharz, unsere gemeinsame Navigationshilfe war die verflixte Wanderkarte, auf der so mancher Weg nicht richtig eingetragen war. Offiziell in der Verbindung aufgenommen fühlte ich mich nach dem ersten »Zipfeltausch«, einem Ritual, das die Verbundenheit stärken soll. »Alles fest im Griff?!«, lautete damals mein Motto, das auf dem »Zipfel« eingraviert wurde, den ich von einem anderen »Bundesbruder« erhielt.
    Je nachdem, wie die Rahmenbedingungen aussahen, hatte ich »alles fest im Griff« oder eben auch nicht. Fachliche Angelegenheiten im Studium waren meist unproblematisch, die Herausforderungen meines Lebens warteten ganz klar bei allem, was mit Beziehungen zwischen Menschen und mit Kommunikation zu tun hatte. Und um mich in diesem Bereich zu verbessern, versuchte ich mich in der Verbindung aktiv einzubringen.
    Es kam sogar zu Auftritten vor den Alten Herren. Mein kleiner grüner Kaktus war eines meiner Lieblingsstücke, die wir sangen. Und besonders viel Spaß brachte mir stets die gesangliche Vertonung des Hauptsatzes der Differential- und Integralrechnung nebst Beweis, einer wichtigen Säule der höheren Mathematik.
    Auch wurde es nötig, an den ganzen Stiftungsfestbällen aktiv teilzunehmen. Da trat ich dann den Damen auf der Tanzfläche erst einmal kräftig auf die Füße. Ich musste einfach parkettsicherer werden. Zum Glück gab es im Hochschulsportprogramm der TU Clausthal kostenlose Tanzkurse, die mich beim Lösen dieser schweren Aufgabe unterstützen sollten.
    Die Tanztherapie schlug an. Von Mal zu Mal wurde ich besser. Ich erlebte geradezu eine Renaissance des Tanzens. Denn den ersten Tanzkurs zur Konfirmation, da wurde ich mehr getanzt, als dass ich selbst etwas im Griff hatte. Damals war ich froh, als dieses dorfübliche Pflichtprogramm endlich endete.
    Tanzen, das war nichts für mich. Das erreichte mich überhaupt nicht. Und nun passierte schleichend gar das Gegenteil. Tanzen wurde zum Ritual. So konnte ich mir irgendwann gar nicht mehr vorstellen, wie ein Leben ohne regelmäßiges Tanzen überhaupt funktionieren sollte.
    Es gelang mir, Gesa auf den nächsten Stiftungsfestball der Studentenverbindung Ascania Halle-Clausthal mitzunehmen. Das war gar nicht so einfach, denn sie hatte einen Freund, der in einer anderen Stadt studierte. Und sie trafen sich immer am Wochenende. Für diesen Ball musste sie in Clausthal bleiben, konnte also ihren Freund nicht sehen.
    Für mich war das ein hohes Zeichen dafür, dass sie mich auch mochte, dass sie mich annahm, so wie ich gebaut war. Solche Menschen gab es bisher nur wenige. So erlebte ich auf diesem Ball mit ihr einen wahren Tanzrausch. Wann immer die Musik spielte, tanzten wir beide uns die Füße platt. Manchmal auch ganz alleine vor allen Leuten. Auch so etwas hatte es mit mir noch nie vorher gegeben.
    Wir tanzten und tanzten und tanzten Kleid und Anzug amazonas-nass. Amazonas, so heißt der Schweißfluss, der mir oft beim Schwitzen in der Rückgratkuhle körperabwärts hinten in die Hose fließt. Dieser Fluss trat hoffnungslos über die Ufer. Mein Anzug war bis aufs Jackett durchgeschwitzt. Die Hose klebte am Hintern fest.
    Gesa hatte mir ganz nebenbei ein doppeltes Geschenk gemacht: Sie befreite mich vom blöden Small Talk an den Balltischen, den ich nie senden konnte und der mich auch nie wirklich erreichte. Und sie tanzte mit mir, was das Parkett vertragen konnte. Manchmal im Takt, manchmal im Gegentakt, manchmal doppeltes Tempo, Hauptsache Spaß – Spaß – Spaß.
    »Peter, wo hast du DAS denn gelernt, vor einem Jahr konntest du doch noch nicht einmal einen Walzer von einem Foxtrott unterscheiden, und jetzt kannst du keinen Tanz auslassen! Was ist denn da passiert?«, wollten viele Bundesbrüder und Alte Herren wissen.
    »Jeder Tanzkurs beginnt mit dem ersten Schritt!«, sagte ich nur. Kurzum, ich fühlte mich wie ein Fakir, der sein Nagelbrett umdreht und feststellt: »Ich glaub, ich hab da was Wunderbares entdeckt!«
    Der Bewunderung für meine Tanzkünste stand aber auch
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