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Kaisertag (German Edition)

Kaisertag (German Edition)

Titel: Kaisertag (German Edition)
Autoren: Oliver Henkel
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Sonnenbühl. »Das ist kein Defekt, das ist Sabotage! Da hinten hat sich jemand verkrochen, der uns einen Strich durch die Rechnung machen will!«
    Der Oberleutnant legte eine Reihe von Kippschaltern um, doch es bewirkte nichts: Die Kontrolllämpchen auf dem Steuerpult leuchteten weiterhin rot, die Ruder verweigerten den Dienst.
    »Verdammt, tun Sie was! Wir verlieren an Höhe!«, brüllte der Major ihn an.
    »Wenn … wenn der dynamische Auftrieb fortfällt, haben die Höhenruder keinen Effekt mehr«, stotterte der Oberleutnant nervös. »Wir müssen die Motoren ausstellen, dann sinken wir nicht weiter.«
    Sonnenbühl ballte zornig die Fäuste. »Und wir bewegen uns nicht mehr von der Stelle. Dann hängen wir in der Luft wie ein beschissener Fesselballon. Wir müssen unsere Zielkoordinaten erreichen, Sie Trottel! Die Motoren werden nicht ausgestellt, klar? Rufen Sie die Korporale Müller und Tomiczek im Bombenraum an. Schicken Sie die zwei ins Heck, damit sie uns die Laus vom Hals schaffen, die sich da eingenistet hat. Und dann sollen sie den Hilfssteuerstand besetzen.«
      
    Prieß war in den Laderaum zurückgekehrt und stieg die Leiter zum Axialsteg hinauf. Eine Hinweistafel mit Instruktionen für den Notfall hatte ihm verraten, wo sich überall im Schiff verteilt Fallschirme befanden. Dank unnachahmlicher militärischer Logik lagerten sie im Frachtraum ausgerechnet an dem Ort, der am schwersten erreichbar war, nämlich entlang des Stegs in fünfzehn Metern Höhe.
    Der Detektiv hatte erst einige Sprossen hinter sich gebracht, als jemand laut »Da! Das ist er!« rief. Sofort riss Prieß den Kopf herum. Zwei Männer in Luftflottenuniformen, bewaffnet mit Maschinenpistolen, waren aus dem Tunnel gekommen, in dem der Laufgang zwischen den Gaszellen hindurchführte. Einer hob seine Waffe, doch der andere hielt ihn zurück. Im Inneren eines Luftschiffes war Schießen ein absolutes Tabu: Wenn auch das synthetische Helium nicht entflammbar war, musste trotzdem jede Beschädigung der großen Gaszellen vermieden werden. Ein kleines Einschussloch konnte in Windeseile zu einem meterlangen Riss anwachsen, durch den das kostbare Traggas entwich.
    Der Schock saß Prieß in den Knochen. Er konnte sich nicht rühren, war unschlüssig. Sollte er weiter die Leiter hinaufklettern oder besser die Pistole aus der Tasche ziehen? Vielleicht konnte er die beiden Soldaten, die damit nicht rechneten, ja überraschen? Doch durch sein Zögern gingen ihm wertvolle Sekunden verloren. Mit Schrecken sah er, dass die Soldaten geschickt über den schmalen Steg liefen und rasch näher kamen. Überstürzt kletterte Prieß weiter die Leiter hoch.
      
    Nervös schaute Maximilian Sonnenbühl durch die Fenster hinaus und ließ den Blick immer wieder unruhig von einer Richtung in die andere wandern. Vor ihm wurde die Distanz zur Lübecker Altstadt mit ihren sieben spitzen Kirchtürmen ständig geringer. Und zur Rechten konnte er nun schon mühelos die einzelnen Schiffe des von Osten nahenden Luftflotten-Geschwaders ausmachen. Die Nadel des Höhenmessers bewegte sich auf die 400-Meter-Markierung zu.
    »Warum ist da hinten immer noch nichts passiert?«, knurrte er. »Diese Schwachköpfe sollen endlich dafür sorgen, dass die Ruder wieder funktionieren. Wir müssen Höhe gewinnen, und zwar jetzt!«
    Er schaute wieder aus dem leicht vibrierenden Cellonfenster auf die stetig dichter heranrückenden roten Ziegeldächer des von Wasser und Grün umgebenen Stadthügels. Dann befahl er dem Oberleutnant am Steuerruder unvermittelt: »Den gesamten Wasserballast ablassen!«
    »Herr Major, das ist riskant«, wandte der Oberleutnant vorsichtig ein. »Wir würden damit lediglich einen vorübergehenden Höhengewinn erzielen. Und wenn wir das Schiff so abrupt um mehrere Tonnen erleichtern, kann das zu Problemen führen. Ich habe es schon selber mehrmals erlebt, dass –«
    »Zum Teufel, spreche ich Chinesisch?«, herrschte ihn Sonnenbühl an. »Alle Ballasttanks öffnen, los!«
    Der Oberleutnant verschluckte sich, als er die Order bestätigte. Mit einer Hand zog er einen der Hebel auf der Instrumententafel, und mit der anderen umklammerte er vorsorglich fest das Steuerrad.
      
    Sie waren schneller als er. Prieß hangelte sich die Leiter hoch, doch der Abstand zu seinen Verfolgern schrumpfte. Der Axialsteg war nur noch zwei Meter über ihm, aber es hätten ebenso gut zwei Kilometer sein können. Kalter Angstschweiß drang an seinem ganzen Körper aus den Poren. Er
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