Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Käptn Snieders groß in Fahrt

Käptn Snieders groß in Fahrt

Titel: Käptn Snieders groß in Fahrt
Autoren: Werner Schrader
Vom Netzwerk:
den Schrank.

    Minna tat, als bemerke sie ihn gar nicht. Sie rollte und schob lustig weiter. Aber als der Kapitän die Hand nach ihr ausstreckte und sie greifen wollte, schnappte sie den Federhalter und flog auf den Gardinenkasten des Fensters, der so hoch war, daß man ihn nur mit einer Leiter erreichen konnte.
    Käpten Snieders wurde böse.
    „Du bist ein ganz vermaledeiter Vogel!“ schimpfte er. „Wenn du nicht sofort den Federhalter herbringst, nehme ich dich morgen nicht wieder mit.“
    Der vermaledeite Vogel zwinkerte mit seinen veilchenblauen Augen und krähte gutgelaunt: „Minna und Käpten Sniiiders!“ Einige Kinder lachten leise.
    Hans Schneider bot sich an, auf den Schrank zu klettern und von dort den ungehorsamen Vogel zu fangen. Aber Käpten Snieders besann sich plötzlich auf seine Erfahrungen mit Minna.
    „Bleibt alle auf euren Plätzen“, sagte er. „Der Vogel merkt, daß wir Wert auf seine Gesellschaft legen, und das spielt er gegen uns aus. Wenn wir so tun, als wäre es uns ganz schnuppe, wo er sich aufhält, kommt er von selbst.“
    Das leuchtete allen ein. Nur hatte Gesche Bödeker ihren Federhalter damit auch nicht wieder. Darum fragte sie: „Und womit soll ich schreiben?“
    Käpten Snieders blickte zu ihr hinüber, kratzte sich den Kopf und sagte: „Tja, dann warte du man mit dem Schreiben, bis Minna dir den Federhalter wiedergebracht hat. Kannst ja inzwischen nachdenken, was du alles schreiben willst.“
    Damit war sie einverstanden. Sie sah sich triumphierend nach den andern Kindern um, verschränkte die Arme und machte ein so vergnügtes Gesicht, daß alle merkten, sie dachte kein bißchen nach. Das ärgerte Susi Hartung, die ihr gegenübersaß und ihrem zufriedenen Grinsen am meisten ausgesetzt war.
    „Das finde ich aber ungerecht, Käpten Snieders“, quakte sie. „Wir müssen arbeiten, und Gesche darf in die Luft gucken, obwohl sie nicht mal Knastermaat ist.“
    „Das muß ich auch sagen“, pflichtete Trinchen Hoffmann ihr bei. „Gesche ist fein ’raus, und wir müssen uns abquälen.'“
    Käpten Snieders nahm die Pfeife aus dem Mund und blinzelte zu den beiden Nachbarinnen hinüber. Die erwiderten seinen Blick furchtlos, denn sie fühlten sich im Recht. Auch die übrigen Kinder hatten ihre Mienen auf „empört“ eingestellt, das merkte der unerfahrene Lehrer wohl. Und darum hielt er es für das beste, das der kleinen Gesche eingeräumte Vorrecht, in dem sie sich so selbstgefällig sonnte, wieder abzubauen.
    „Meint ihr alle, das sei ungerecht?“ fragte er und wandte sein braunes Gesicht von einem zum andern.
    „Ja!“ rief Ludwig Reiners. „Entweder schreiben alle oder keiner.“
    Die übrigen nickten.
    „Alle können aber nicht schreiben“, sagte Gesche Bödeker spitz. „Ich zum Beispiel nicht, weil ich keinen Federhalter habe!“
    Sie erwartete, der alte Kapitän würde ihr für diese kluge Bemerkung etwas Liebes sagen, aber sie täuschte sich.
    Käpten Snieders war nämlich ein grundgerechter Mensch. Nichts konnte ihn so verletzen, als wenn jemand ihm vorwarf, er sei ungerecht.
    „Tja, wenn ihr das alle glaubt“, sagte er gedehnt, „dann legt man eure Federhalter hin und denkt auch nach, bis Minna Gesches Halter wiedergebracht hat.“
    Sofort wurden überall die Federhalter niedergelegt, und die Kinder machten nun ein genauso fröhliches Gesicht wie vorhin Gesche allein. Nur ans Denken dachte keiner.
    Der kleine Rudi, der als einziger eine Arbeit unterbrochen hatte, seine Rumbuddel, seine Königin und sein Chinese waren fast fertig, schickte seine schnellen Augen zu dem schwarzen Vogel hinauf und bemerkte als erster, daß Minna schlief.
    „Minna ßläft“, flüsterte er seinem Banknachbarn Hinnerk Beiderbeck zu, und der gab es rasch an Susi Hartung weiter. Im Nu war es durch die ganze Klasse. Und weil Klara Furken heiser war und darum nur laut flüstern konnte, hörte es auch Käpten Snieders.
    „Chotz denn donnere ja!“ rief er und sprang auf. „Sie schläft tatsächlich.“
    „Pst, Käpten“, machte Waldemar Peters, der ganz vorne an backbord saß, „nur nicht erschrecken! Sonst wirft sie vielleicht den Füller herunter, und dann ist er kaputt.“
    „Hm, meinst du?“ fragte Käpten Snieders zweifelnd. Er verstand nicht viel von diesen neuartigen Füllfederhaltern und wollte natürlich nicht schuld daran sein, daß einer zerbrochen wurde. „Er hat eine ganz empfindliche Feder“, sagte Gesche. „Die bricht sofort ab, wenn sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher