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Käptn Snieders groß in Fahrt

Käptn Snieders groß in Fahrt

Titel: Käptn Snieders groß in Fahrt
Autoren: Werner Schrader
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gibt.“
    Käpten Snieders sah sich zufrieden in der Klasse um. Er stellte fest, daß seine Erzählung großen Eindruck auf die Kinder gemacht hatte. Sie saßen da mit angestrengten Mienen und waren mit dem Gehörten noch lange nicht fertig. Es knisterte geradezu vor Gedanken. Klara Furken hob schließlich zaghaft den rechten Zeigefinger.
    „Käpten Snieders“, sagte sie und klappte ihre Augen ganz weit auf, „wenn das Ungeheuer Luft holt, ist bei uns Ebbe.“
    „Ja, mein Deern, so ist es.“
    „Und wenn es ausatmet, haben wir Flut?“
    „Genauso ist es, du hast gut auf gepaßt, Klara.“
    „Ja, aber“, fuhr das Mädchen unbeirrt fort, „was passiert, wenn das Tier sich erkältet hat und mal husten muß?“
    „Na, das kannst du dir doch denken“, erklärte der Käpten, „dann haben wir eine Sturmflut.“
    „Ah!!“ machte der kleine Rudi Turka ergriffen und vergaß vor Staunen, den Mund wieder zu schließen.
    Käpten Snieders aber wollte nun die Stunde mit einer leicht faßlichen Weisheit abrunden, damit die letzten Zweifel an der Wahrheit seiner Geschichte verflogen.
    „Wie ihr wißt“, sagte er langsam, „haben wir im Januar und Februar die schlimmsten Sturmfluten. Das kommt nur wegen der Kälte! Denn natürlich holt sich das Tier bei der niedrigen Wassertemperatur leichter einen Schnupfen oder eine Grippe als im Sommer, wenn das Wasser warm ist.“
    Lutz Lehmann, der in der Schule dafür bekannt war, daß er die kniffligsten Fragen stellte und beantwortete, verzog seinen Mund zu einem feinen Grinsen und fragte hinterhältig: „Und wie kommt die Nippflut zustande?“ Er war überzeugt, daß er Käpten Snieders mit dieser Frage in Verlegenheit brachte.
    Aber er täuschte sich!
    Der alte Kapitän guckte ihn an, als wollte er sagen: „Das weiß doch jeder Säugling!“ und erklärte bedächtig und glaubwürdig: „Das Tier muß natürlich auch mal schlafen, wie du dir denken kannst, nicht so lange wie wir und auch nicht so regelmäßig, das versteht sich, aber hin und wieder doch. Tja, und wenn jemand schläft, dann atmet er nur ganz fläch, ohne Schwung sozusagen. Dann wird das Wasser nur sachte an unsere Küsten getrieben und läuft wenig auf. Das ist die Nipptide. Ist doch so einfach.“ Damit war Lutz Lehmann geschlagen.
    Er sah den Kapitän zwar mit zusammengekniffenen Augen an, wußte aber nichts mehr zu entgegnen. Erna tom Dieck, die auch recht naseweis war, hob drohend den Finger und sagte: „Nur nicht flunkern, Käpten!“
    „Gott bewahre!“ rief der alte Seebär. „So was tu’ ich nicht. Die Geschichte ist so wahr, wie drei mal drei sieben ist, das könnt ihr mir glauben. Und nun geht alle auf den Hof, wir wollen eine Pause machen.“
    Die Kinder erhoben sich und gingen langsam hinaus. Käpten Snieders hörte noch, wie Trinchen Hoffmann Maria Neumann fragte: „Sag mal, ist drei mal drei nicht neun?“
    Dann war er allein in der Klasse.
     

Aufsatz frei nach Tatsachen
     
    Nach einer Viertelstunde kamen die Kinder wieder herein. Käpten Snieders hatte inzwischen das Klassenbuch im Pult entdeckt, ein wenig darin geblättert und mit Erstaunen festgestellt, daß alles, was Herr Heinecke in der Schule unterrichtet hatte, sauber eingetragen worden war. Keine Stunde am Tag schien ausgelassen. „Das ist ja wohl so eine Art Logbuch“, brummte er, „eine verteufelt unangenehme Sache!“ Er hatte schon lange keinen Federhalter mehr in der Hand gehabt und war auch in seinen jungen Jahren nie ein guter Schreiber gewesen. Und nun sollte er in die engen Spalten dieses feinen Buches mit seinen mächtigen Händen klitzekleine Buchstaben hineinmalen? Nicht auszudenken, was das für ein Bild geben würde! Nein, nein, das mußte anders geschaukelt werden. Außerdem besaß er ja gar keinen Federhalter. Er würde heute nachmittag in aller Ruhe darüber nachdenken, wie er die Sache mit dem Logbuch handhaben könnte.
    Gerade wollte er das Buch zuklappen und sich wieder den Kindern zuwenden, da sagte Waldemar Peters, der ganz vorne an backbord saß und darum alles übersehen konnte, was auf dem Pult getan wurde: „Käpten Snieders, Ludwig Reiners führt die Versäumnisliste.“ Der Kapitän blickte ihn an.
    „Die was?“ fragte er.
    „Die Versäumnisliste“, wiederholte Waldemar. „Er stellt fest, ob jemand fehlt.“
    „Aha! Na, dann soll er mal feststellen. Los, Ludwig, fang an!“ Ludwig Reiners stand auf und kam nach vorne.
    „Dazu brauche ich das Klassenbuch“, sagte er und streckte die Hand
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