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Käptn Snieders groß in Fahrt

Käptn Snieders groß in Fahrt

Titel: Käptn Snieders groß in Fahrt
Autoren: Werner Schrader
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eindringliche Briefe. Sie sollte um des Jungen willen zu ihrem Mann zurückkehren. Aber sie hatte keinen Erfolg damit. Darum fragte sie Wolfgang, ob er nicht ganz bei ihr bleiben wollte.
    „Ja“, sagte der, entschlossen, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen und sich nicht länger von seinen Eltern quälen zu lassen. In einigen Jahren würde er ohnehin zur See fahren, da schien ihm das Leben hinterm Deich im Umgang mit Booten und Flößen die richtige Vorbereitung.
    Seine Mutter machte ihrer Schwester, Ruth Besenhoff, einen großen Krach, beschimpfte sie im Beisein des Jungen, nannte sie schäm-, herz- und gewissenlos, weil sie ihr das einzige, was sie auf der Welt noch besaß, wegnähme; aber damit erreichte sie bei Wolfgang nur, daß er weinend hinauslief und sich so lange versteckt hielt, bis sie wieder in die Stadt zurück mußte. Im Zug hatte sie einige Stunden Zeit, über ihre Zukunft nachzudenken. Entweder wandte sie sich wieder ihrem Mann zu, verzieh ihm seine gelegentlichen Trinkereien und gewann damit ihre Kinder zurück, oder sie verharrte in ihrer Härte und ihrem Trotz und verlor schließlich beide.
    Achtzehn Wochen auf den Tag waren vergangen, seit Käpten Snieders in Ritzenfleth Schule hielt, da kehrte Herr Heinecke gesund und gut erholt in die kleine Gemeinde zurück.
    Er öffnete leise die Klassentür, als der Kapitän mitten in der Geschichte vom Nebelsänger war, der von der Bugspitze aus mit schriller Stimme die Eisberge ansingen mußte, damit man aus dem Echo, das sie gaben, ihre Entfernung abschätzen konnte.
    Die Kinder saßen stumm und staunten.
    Herr Heinecke staunte auch.
    Nicht nur über die große Ruhe und Aufmerksamkeit, sondern vor allem über die malerischen Sitzgruppen und die bunte Schar der Zuhörer. Er wußte ja schon durch den Bürgermeister, daß ganz einmalige Dinge in seiner Schule vorgingen, aber sie wissen und sie erleben war doch ein großer Unterschied.
    Von den Kindern unbemerkt, lauschte er der Erzählung, bis Käpten Snieders fertig war. Dann erst zeigte er sich und begrüßte Kinder und Lehrer.
    Er dankte dem Kapitän, daß er ihn so ausgezeichnet vertreten hätte, und dankte den Kindern, daß sie dem alten Mann keine Schwierigkeiten gemacht hatten.
    Und dann ließ er sich berichten.
    Er erfuhr von den vielen tüchtigen Hilfslehrern, die Käpten Snieders geholfen hatten, hörte, daß Heini Brackwede von seiner Hängematte aus wieder am Unterricht teilnahm, und sah den neuen Schüler Wolfgang Lofing. Natürlich wurde ihm auch das Buch mit den Flunkergeschichten sofort gezeigt. Er blätterte darin und ließ sich erzählen, wie es dazu gekommen war.
    „Meine lieben Kinder“, sagte er, nachdem er über alles im Bilde war, „ich sehe, daß ihr ganz gut ohne mich ausgekommen seid. Und ich muß sagen, das freut mich. Das nimmt mir nachträglich noch einen großen Stein von der Seele. Vielleicht möchtet ihr auch in Zukunft noch gern bei Käpten Snieders Schule haben? Er ist ja tatsächlich ein ganz besonderer Geschichtenerzähler, das habe ich eben selbst erlebt. Aber da muß ich euch sagen, daß sich bei uns einiges verändern wird. Wir müssen im nächsten Jahr alle nach Ganspe in die neue Mittelpunktschule. Da gibt es acht Klassen und für jede einen besonderen Lehrer wie in der Stadt. Und da kann Käpten Snieders natürlich nicht unterrichten.“
    „ßade, ßade!“ rief Rudi und sprach damit die Gedanken aller Kinder aus.
    „Aber“, fuhr Herr Heinecke fort, „solange wir noch hier Unterricht haben, darf er, wenn er will, jeden Mittwoch und Sonnabend für zwei Stunden zu uns kommen und uns seine wunderbaren Geschichten erzählen. Und das kleine Gemüse da“, er zeigte auf die Dreijährigen, „ist dazu herzlich eingeladen.“
    Über diesen Vorschlag waren alle sehr erfreut. Auch Käpten Snieders, der ohne „seine“ Schule nicht mehr leben mochte.
    Nur Wolfgang hatte noch eine Frage.
    „Was wird aus Heini?“ fragte er. „In der neuen Schule darf doch bestimmt keine Hängematte hängen.“
    Bestürzt sahen sich alle nach Heini um, der mit rotem Kopf in den Kissen lag.
    Aber Herr Heinecke hatte sich darüber anscheinend auch schon Gedanken gemacht.
    „Heini kauft sich von dem Geld, das er für sein Buch bekommt, einen Rollstuhl mit Elektromotor“, sagte er, „dann kann er sogar ganz allein zur Schule fahren.“
    „Menß, daß ißt ja prima“, rief Rudi. „Den Führerßein ßafft er beßtimmt!“
    Und man sah ihm an, daß er am liebsten auch einen
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