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Kaeltezone

Kaeltezone

Titel: Kaeltezone
Autoren: Arnaldur Indridason
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mit der Sache befassen.«
    Sie blieben einen Augenblick stehen, ohne sich zu rühren, so als sei noch etwas unausgesprochen, als läge etwas in der Luft, das erwähnt werden musste, bevor sie auseinander gingen.
    »Ein Jahr nachdem er verschwunden war«, sagte Kristín, »wurde auf Snæfellsnes eine Leiche an Land getrieben. Man glaubte zuerst, dass er es sei, aber dann stellte sich heraus, dass es nicht stimmte.«
    Sie rieb sich nervös die Hände.
    »Manchmal glaube ich sogar heute noch, dass er noch am Leben sein könnte. Dass er keinesfalls gestorben ist. Manchmal glaube ich, dass er uns verlassen hat und vielleicht aufs Land oder ins Ausland gezogen ist, ohne uns Bescheid zu geben, und dass er vielleicht eine neue Familie gegründet hat. Mir kam es sogar einmal so vor, als hätte ich ihn hier in Reykjavík gesehen. Vor vier oder fünf Jahren habe ich zuletzt das Gefühl gehabt, ich hätte ihn gesehen. Ich bin wie ein Idiot hinter dem Mann her. Das war im Kringlan-Einkaufszentrum. Ich habe ihm so lange nachspioniert, bis ich merkte, dass er es nicht war.«
    Sie sah Erlendur an.
    »Er ist verschwunden, aber trotzdem … verschwindet er eigentlich nie«, sagte sie, und ein trauriges Lächeln spielte um ihre Lippen.
    »Ich weiß«, sagte Erlendur. »Ich weiß, was du meinst.«

    Als sie wieder im Auto saßen, machte Elínborg ihm Vorwürfe, weil er so taktlos gewesen war, nach Kristíns Sohn zu fragen. Erlendur entgegnete ihr, sie solle nicht so empfindlich sein.
    Sein Handy klingelte. Es war Valgerður. Er hatte damit gerechnet, dass sie sich melden würde. Sie arbeitete als Mta am größten isländischen Krankenhaus, und sie hatten sich letztes Jahr zu Weihnachten kennen gelernt, als Erlendur einen Mordfall in einem Reykjavíker Hotel aufzuklären hatte.
    Ihre Beziehung war kompliziert. Valgerður war verheiratet. Ihr Mann hatte zugegeben, fremdgegangen zu sein, aber als es darum ging, sich scheiden zu lassen, wollte er sie nicht freigeben, sondern bat reumütig um Verzeihung und gelobte Besserung. Sie hatte vor, ihn zu verlassen, aber das war noch nicht geschehen.
    »Wie geht es deiner Tochter?«, fragte sie, und Erlendur erzählte ihr kurz von seinem Besuch bei Eva Lind.
    »Glaubst du wirklich nicht, dass ihr diese Therapie hilft?«, fragte Valgerður.
    »Ich hoffe es, aber im Grunde genommen habe ich keine Ahnung, was ihr helfen kann«, sagte Erlendur. »Sie ist wieder in derselben Scheiße gelandet wie damals, bevor sie die Fehlgeburt hatte.«
    »Sollen wir uns vielleicht morgen treffen?«, fragte Valger- ður.
    »Ja, treffen wir uns morgen«, sagte er, und sie verabschiedeten sich.
    »War sie das?«, fragte Elínborg, die wusste, dass Erlendur eine Art Beziehung zu einer Frau hatte.
    »Falls du Valgerður meinst, jawohl, das war sie«, sagte Erlendur.
    »Macht sie sich Sorgen um Eva Lind?«
    »Was haben die Leute von der Technik über diesen Apparat gesagt?«, fragte Erlendur, um das Thema zu wechseln.
    »Viel wissen sie nicht«, antwortete Elínborg. »Sie glauben aber, dass es ein russisches Gerät ist. Man hat zwar versucht, den Namen und die Registriernummer wegzufeilen, aber man kann immer noch den einen oder anderen Buchstaben erkennen, und sie sagen, dass es kyrillische Buchstaben sind.
    »Also Russisch?«
    »Ja, Russisch.«

    Am Südende des Sees standen ein paar Anglerhütten. Erlendur und Sigurður Óli zogen Erkundigungen über die Eigentümer ein. Sie setzten sich telefonisch mit ihnen in Verbindung und stellten ihnen ein paar Fragen über vermisste Personen, die eventuell in Verbindung zum Fund im See standen. Das zeitigte keinen Erfolg.
    Sigurður Óli brachte das Thema auf Elínborg, die vollauf damit beschäftigt war, das Erscheinen ihres Kochbuchs vorzubereiten.
    »Wahrscheinlich glaubt sie jetzt, dass sie berühmt wird«, sagte Sigurður Óli.
    »Möchte sie das?«, fragte Erlendur.
    »Will nicht jeder berühmt werden?«, war die Gegenfrage von Sigurður Óli.
    »Dummes Zeug«, erklärte Erlendur.

Sechs
    Sigurður Óli las den Brief – die letzten Worte eines jungen Mannes, der im Jahre 1970 sein Zuhause verließ, um nie wieder zurückzukehren.
    Die Eltern des Mannes waren beide im gleichen Alter, achtundsiebzig, und bei guter Gesundheit. Sie hatten noch zwei jüngere Söhne, die um die fünfzig waren. Sie waren sich sicher, dass der älteste Sohn Selbstmord begangen hatte, denn sie nahmen ernst, was in seinem Brief stand. Sie wussten weder, wie er es getan hatte, noch, wo seine
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