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K. oder Die verschwundene Tochter - Roman

K. oder Die verschwundene Tochter - Roman

Titel: K. oder Die verschwundene Tochter - Roman
Autoren: Transit
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zuerst, sie sei verhaftet worden, und dann streiten sie es ab?
    Der Apotheker kennt den Grund, doch er sagt nichts. Er stellt allgemeine Betrachtungen an, wie ein Dozent, der eine Unterrichtsstunde hält, erklärt, dass viele junge Juden in subversive Angelegenheiten verwickelt sind, was beim Geheimdienst den alten Mythos des jüdischen Bolschewismus wiederbelebt hat. Die Gemeinde wurde in Schrecken versetzt und beschloss, eine Aufgabentrennung vorzunehmen, zumal auch die Regierung getrennt operiert; für die Subversion sind die Militärs zuständig, die Polizei leistet nur Hilfestellung. Er betete die alten Polizeigeschichten herunter, die Kommunisten der Casa do Povo, die Juden ohne gültige Papiere, die zionistischen Aktivitäten in Brasilien. Es sind andere, die sich mit den subversiven Elementen befassen; auf diesem Gebiet, betont er, ist nichts von dem, was in meiner Macht liegt, eine Hilfe: Freundschaft, Familie, einflussreiche Leute, geschuldete Gefallen, gar nichts.
    Es gibt einen Rabbiner in São Paulo und ein führendes Gemeindemitglied in Rio de Janeiro, die Kontakt zu den Generälen halten. Doch so viel ich weiß, bringt es nichts. Damit Sie eine Vorstellung bekommen, nicht einmal Geld bewirkt etwas. Nicht einmal Geld – wiederholt er. Niemand kommt davon.
    Der Apotheker kritzelt etwas auf ein Stück Papier und reicht es K., schließlich war der Mann mit seinem Vater befreundet gewesen: Vielleicht kann Ihnen der hier weiterhelfen, sagt er, es ist ganz in der Nähe, in einer Galerie, etwa hundert Meter weiter, auf der linken Seite. Sagen Sie nicht, wer sie geschickt hat.
    Die Galerie ist schmal, über zwei Etagen verteilt. Jemand zeigt K. den Inhaber, einen Typen in Jeans und Sneakers. K. spricht ihn an und stellt sich hastig vor. Der junge Mann ist überrascht, hat sich aber schnell wieder in der Gewalt, fasst K. am Arm und führt ihn langsam hinaus auf die Straße; im Laden sei es so laut, bemerkt er, man verstehe kaum sein eigenes Wort. Draußen bedeutet er K. weiterzugehen, während er sagt: Der eine hört zu. K. hat den Eindruck, dass er Angst vor den Angestellten des Ladens hat. Die Freundinnen seiner Tochter fallen ihm ein, die ihn hinaus in den Garten gebeten hatten.
    Sie gehen die José Paulino entlang bis ans Ende, dann kehren sie auf dem gegenüber liegenden Bürgersteig zurück. K. redet, der Informant hört zu. Hin und wieder dreht sich der Informant verstohlen um, und zweimal unterbricht er K. mit dem Versuch, herauszufinden, wer ihn geschickt hat. K. hält sich jedoch bedeckt, er weiß, er wird auf die Probe gestellt. Wenn er sich öffnet, wird er das Vertrauen dieses anderen verlieren. Schließlich bittet der Informant K. um seine Telefonnummer, er solle abwarten. Er könne nichts versprechen, würde es aber versuchen. Er solle ihn nie wieder aufsuchen. Ich werde auf Sie zukommen.
    Wenn er die Geistesgegenwart des Apothekers und die Vorsichtsmaßnahmen des Galeriebesitzers bedenkt, kommt K. zu dem Schluss, dass Caio und Amadeu lediglich Dilettanten waren, sie wussten nicht, worauf sie sich eingelassen hatten. In seinem aufgewühlten Herzen löst sich nach und nach das Geheimnis der widersprüchlichen Nachricht von alleine, unerbittlich. Einen Knoten in der Brust, spürt er, dass etwas Furchtbares passiert ist, so dass die Menschen, die ihm helfen wollen, Angst bekommen und zurückschrecken – er spürt, dass seine Tochter erfasst wurde von einem geschlossenen System, das mit keinem zu vergleichen ist, das er gekannt hat, nicht einmal mit dem in Polen. Die Erklärungen des Apothekers haben ihn beeindruckt.
    Zwei Tage später ruft der Mann von der Galerie an. Um sich zu erkennen zu geben, erwähnt er den Spaziergang entlang der José Paulino. Er teilt K. mit, dass seine Tochter in Portugal sei, vor mehr als einem Monat habe sie sich dorthin abgesetzt. Er legt auf. Nicht möglich, überlegt K. Eine krasse Lüge. Seine Tochter würde ihm nicht ein solches Leid zufügen. Selbst wenn sie von Portugal aus keinen Kontakt zu Brasilien hätte aufnehmen können, hätte sie sich an Verwandte in Israel wenden können oder an ihren Bruder in London, mit dem sie in Briefwechsel stand.
    In der Woche danach kommt im Laden eine Papprolle aus Portugal an, adressiert an K., als Absender ist per Hand der Name der Tochter eingetragen. Sie enthält politische Plakate der Nelkenrevolution. Es ist nicht die Schrift seiner Tochter, er sieht es sofort. Ihre Handschrift ist leicht nach rechts geneigt und
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