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Justice (German Edition)

Justice (German Edition)

Titel: Justice (German Edition)
Autoren: David Fermer
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Geheimdienste hatten viel Macht ...«
    »Richtig!«, stimmte Stein allen drei Schülern zu. Am Tafelberg trafen sich die beiden Seilbahnen gerade in der Mitte. Die eine setzte ihren Aufstieg fort, während sich die andere dem Ende ihres Ausfluges näherte. »Gemischtrassige Eheschließungen waren illegal in Deutschland und während der Apartheid. Militarismus stand auch ganz oben auf der Tagesordnung. Hier in Südafrika hatte es nichts mit Expansionspolitik zu tun wie damals in Deutschland, sondern vielmehr mit der Bekämpfung der heimischen Widerstandsbewegung beziehungsweise damit, die weiße Herrschaft sicherzustellen. Das Gleiche gilt für die Geheimdienste. Sie waren dringend nötig, um die Schwarzen in Zaum zu halten. Schließlich handelte es sich um über siebzig Prozent der Bevölkerung.«
    »Warum hat die Welt eigentlich nichts dagegen unternommen?«, fragte Daniel, ein Schweizer, der erst vor ein paar Jahren nach Kapstadt gezogen war.
    »Warum wohl!«, rief Sarah aus der hinteren Reihe. Das Mädchen mit den schwarz gefärbten Haaren und der gepiercten Nase war von Natur aus eine Rebellin. Sie brauchte nicht viel Fantasie, um sich in den Befreiungskampf der Schwarzen hineinzuversetzen. »Wegen des Geldes. Solange Südafrika Gold und Rohstoffe lieferte, war alles bestens, egal was mit den Schwarzen passierte.«
    »Das stimmt nicht«, protestierte Felix. »Es gab auch Sanktionen.«
    Sarah lachte herablassend. »Sagst du! Weißt du, wie viele deutsche Firmen hier während der Apartheid tätig waren? Ich sag es dir: jede Menge. Die haben sich einen Scheißdreck für Menschenrechte interessiert!«
    Felix machte den Mund auf, um Sarahs vernichtender Analyse etwas entgegenzusetzen, aber ihm fiel kein Argument mehr ein. Herr Stein schaute auf die Uhr. Die Stunde war fast um.
    »Man darf nicht vergessen, dass die Rassentrennung in Südafrika schon vor der Apartheid existierte«, sagte Stein zum Abschluss. »In ganz Afrika gehörte sie zum kolonialen Alltag. Auch in den Südstaaten der USA herrschte noch bis 1968 Rassentrennung. Aber der Punkt ist: In den 60er- und 70er-Jahren wurden alle afrikanischen Länder unabhängig und die Schwarzen kamen an die Macht. Nur in Südafrika wurde die Rassentrennung immer stärker, die Unterdrückung immer gnadenloser. Das hat mit dem damaligen Staatsapparat zu tun. Und diesen Staatsapparat will ich mit euch genauer unter die Lupe nehmen.«
    Auf dem Tafelberg dockte die obere Seilbahn an. Stein drehte sich um und kehrte hinter seinen Schreibtisch zurück.
    »Für heute müssen wir Schluss machen«, kündigte er an. »Morgen geht es an dieser Stelle weiter. Ich wünsche euch noch einen schönen Tag.«
    Die Schulglocke läutete und unterbrach Herrn Steins letzte Worte. Die zwölf Schüler des Geschichte-Leistungskurses verließen langsam das Zimmer. Als Milan und Alexander an ihrem Lehrer vorbeigingen, schaute Stein kurz hoch und sagte freundlich: »Wir sehen uns später beim Training.«
    Herr Stein war nämlich nicht nur Milans Geschichtslehrer, sondern auch der Trainer seiner Drachenbootmannschaft. Durch das Drachenbootfahren hatte Milan Stein zum ersten Mal kennengelernt. Damals war Milan noch in der achten Klasse. Herr Stein, selbst ein leidenschaftlicher Ruderer, hatte die verrückte Idee gehabt, an einem Drachenbootwettbewerb teilzunehmen. Er wollte eine Schulmannschaft aufstellen. Milan wusste bis zu diesem Tag nicht einmal, was ein Drachenboot war. Er machte sich im Internet schlau und sah die Bilder von den Booten aus China, die vorne einen dekorativen Drachenkopf trugen und hinten am Heck einen spiralförmigen Schwanz. Die Vorstellung, mit solchen Booten durch die Tafelbucht zu paddeln, kam Milan so irre vor, dass er sich sofort bei Herrn Stein anmeldete. Zusammen mit Alexander und Natalie hatte er das neu erworbene Boot dekoriert und den feurigen Drachenkopf am Bug bemalt. Während der Fertigstellung stand das Boot wochenlang im Schulhof, für jeden sichtbar. Es erweckte so viel Neugierde, dass Stein bald seine achtzehnköpfige Mannschaft zusammenhatte.
    Das Drachenbootfahren wurde schnell zu Milans Hobby. Er trainierte zwei- bis dreimal die Woche mit der Mannschaft und liebte es, das große Boot über die weite Fläche der Tafelbucht zu jagen. Er mochte das Geräusch des tobenden Wassers um sich herum, die Schreie seiner Mitfahrer, den peitschenden Rhythmus der Trommeln, das offene Meer. Ein Drachenbootrennen war ein Akt der Kraft, Ausdauer und des Teamgeists. Die Paddler
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