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Junge rettet Freund aus Teich (German Edition)

Junge rettet Freund aus Teich (German Edition)

Titel: Junge rettet Freund aus Teich (German Edition)
Autoren: Heinz Strunk
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einzigen Ruck aus dem Wasser zieht. Er nimmt ihn auf den Arm und trägt ihn ans Ufer. Ich folge ihnen. Der Mann geht weiter zum großen Parkplatz, wo sein Auto steht. Ich darf mit einsteigen. In nicht mal zehn Minuten erreichen wir das AK Harburg. Diagnose: schwere Unterkühlung, Martin muss zur Beobachtung über Nacht bleiben. Der Mann bietet an, mich nach Hause zu fahren. Er hat eine Glatze wie Kojak, ich könnte mir gut vorstellen, dass er bei der Polizei ist oder beim Bundesgrenzschutz.
    «Soll ich nicht besser mitkommen und deinen Eltern alles erklären?»
    «Vielen Dank, aber das ist nicht nötig. Meine Mutter ist sowieso noch auf der Arbeit, und einen Vater habe ich nicht, ich bin unehelich.»
    Peinlich, das hätte man auch anders sagen können. Der Mann guckt betreten.
    «Du hast deinem Freund das Leben gerettet. Das hast du nicht umsonst getan.»
    «Ach so. Ja.»
    «Ich würde vorschlagen, wir tauschen Namen, Adresse und Telefonnummer aus, und wenn’s irgendwas Neues gibt, rufen wir uns an. Einverstanden?»
    «Ist gut. Danke fürs Bringen.»
    Krüger heißt er.

    Mutter erzähle ich nichts, um mir die endlosen Diskussionen zu ersparen, die garantiert auf dem Fuße folgen würden.
    Als ich am nächsten Tag von der Schule zurück bin, wartet ein Mann vor unserer Tür. Herr Matthiesen von den Harburger Anzeigen und Nachrichten, ein dürrer, grauer Typ, der aussieht wie gerupft. Die Adresse habe er von Herrn Krüger, sie wären befreundet, sagt er. Er riecht wie ein voller Aschenbecher, seine Zähne sind dunkelgelb. Ich stelle mir vor, wie eklig es sein muss, ihn zu küssen. «Strahlerküsse schmecken besser, Strahlerküsse schmecken gut.» Der raucht bestimmt auch im Auto, denke ich. Hetzt den ganzen Tag von einem Termin zum anderen und barzt, als ob’s kein Morgen gäbe. Er kommt mit in unsere Wohnung und fängt an, mir Fragen zu stellen, die ich alle beantworte. Warum auch nicht. Dann geht er erst mal auf den Balkon, eine rauchen. Höhenangst kennt der jedenfalls nicht. Zum Schluss möchte er noch ein Foto von mir machen. Von Rechts wegen bräuchte ich das Einverständnis meiner Mutter, aber egal, ich komme mir unglaublich wichtig vor. Herr Matthiesen schießt bestimmt dreißig Fotos, morgen schon soll der Artikel im Lokalteil erscheinen. Kann ich mir gar nicht vorstellen, in der Zeitung, die ich seit Jahr und Tag lese, selber vorzukommen. Vielleicht wird der Bericht aber auch in letzter Sekunde gestrichen, weil Ereignisse der Weltpolitik oder eine Katastrophe allen Platz beanspruchen.
    Als Herr Matthiesen weg ist, spiele ich die möglichen Folgen durch. Oma ist bestimmt stolz darüber, dass ihr Enkel in der Zeitung steht, und noch dazu mit so was. Bei Mutter sieht die Sache schon ganz anders aus. Ich habe zwar einem Menschen das Leben gerettet, aber dadurch, dass ich ihr den Vorfall verschwiegen habe, wieder mal unter Beweis gestellt, wie wenig Vertrauen ich zu ihr habe. Ich höre sie schon wieder die ewig gleiche Leier runterspulen: wie enttäuscht sie sei, weil sie uns doch für Bundesgenossen gehalten habe, die gemeinsam durch dick und dünn gehen und als Mutter-Sohn-Gespann zusammenhalten und so weiter und so weiter und so weiter und so fort. Schnarch.
    Den richtigen Ärger hat natürlich Martin zu erwarten. Nicht nur, weil er sich trotz aller Warnungen auf die Außenmühle gewagt hat, sondern vor allem, mit wem . Wenn seine Eltern davon Wind kriegen, war’s das, und zwar endgültig. Dass meine Heldentat ihr Bild von mir korrigiert, glaube ich nämlich nicht. Herr Schipanski ist der felsenfesten Überzeugung, dass in mir «enorme kriminelle Energie» steckt, so hat er sich einmal ausgedrückt. Aus seiner Sicht gerate ich über kurz oder lang richtig auf die schiefe Bahn, wenn ich es nicht schon bin.
Junge rettet Freund aus Teich
    Teich. Wie das klingt. Da hätten sie auch gleich Tümpel schreiben können oder Pfütze. Der Außenmühlenteich ist fast so groß wie die Alster! Die Meldung erscheint auf Seite 13, genau 49 Worte und ein Foto von mir, auf dem ich noch bescheuerter als normal aussehe. Was, wenn es das erste und letzte Mal ist, dass ich in der Zeitung stehe? Mehr passiert im Leben nicht mehr. Trauriger Gedanke schon wieder.
    Als Mutter vom Unterricht zurückkehrt, fuchtelt sie schon beim Reinkommen mit der Zeitung herum. Frau Bugenhagen habe sie darauf aufmerksam gemacht. Warum um alles in der Welt ich nichts gesagt hätte? Und wie ich darauf käme, auf brüchigem Eis Schlittschuh zu
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