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Julias kleine Sargmusik

Julias kleine Sargmusik

Titel: Julias kleine Sargmusik
Autoren: Jason Dark
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nervös.
    »Sicher«, erwiderte ich lächelnd. »Nur kommen wir von Scotland Yard. Da Ihre Tochter der Mittelpunkt des Geschehens ist…«
    »Julia ist tot, und sie bleibt tot«, erwiderte sie böse.
    »Das bestreitet niemand, Mrs. Landers. Dürfen wir trotzdem hereinkommen, wenn es recht ist?«
    Sie atmete tief ein, schaute an uns vorbei in den Sprühregen und nickte schließlich. »Ja, kommen Sie.« Mehr widerwillig gab sie die Tür frei. Wir betraten einen Flur, der ziemlich breit war. Eine Holztreppe führte in die obere Etage, während es links zum Wohnraum ging, in dem auch die Küche integriert war.
    Auf einer dunkelbraunen Couch nahmen wir Platz. Ich konnte in den Garten schauen, wo Obstbäume standen und auf dem Rasen Blütenblätter lagen. Sie sahen aus wie frisch gefallener Schnee. Mrs. Landers setzte sich uns gegenüber. Auf ungefähr 40 Jahre schätzte ich die Frau, die einen verbitterten Eindruck machte.
    »Was wollen Sie?«
    »Über Ihre Tochter reden.«
    Sie hob die Schultern. »Wie ich Ihnen schon sagte, Julia ist tot. Und Tote soll man ruhen lassen.«
    Ich stimmte ihr nickend zu. »In der Regel habe ich nichts dagegen, bei Julia ist es jedoch etwas anderes.«
    »Wieso?«
    »Sie ist wieder gesehen worden.«
    Ihr Lachen klang schrill. »Glauben Sie den Worten der alten Klatschbase?«
    »Wir wollen Ihre Aussage ebenfalls haben, Mrs. Landers.«
    »Da gibt es nichts zu sagen. Julia ist gestorben. Sie kam in einen Sarg und wurde begraben.«
    »Und es gab nichts Ungewöhnliches?« fragte Suko.
    »Ja, schon. Sie nahm ihre Geige mit, die sie geliebt hatte. Kurz vor ihrem Tod bat sie mich darum.«
    »Hat sie sonst noch etwas gesagt?«
    »Wie meinen Sie?«
    »Sprach Julia vor dem Tod noch Sätze, über die Sie sich gewundert haben, Mrs. Landers?«
    Die Frau schien Vertrauen zu uns gefasst zu haben. Ihr Blick war längst nicht mehr so abweisend und misstrauisch wie zu Beginn unseres Besuchs. »Na ja«, gab sie zu. »Ein wenig seltsam war es schon. Sie sagte: ich kehre heim zu ihnen.«
    »Zu wem?«
    »Ich habe nicht nachgefragt.«
    »Wie lief denn ihr Leben ab?«
    Wir erfuhren mehr über ein ruhiges, bescheidenes und stilles Mädchen, das mit seinem Vater oft auf dem Friedhof gewesen war. Sie hatte sich zu diesem Gelände immer hingezogen gefühlt. Es war wie eine Heimat für sie geworden. Eine Tatsache, die ihre Mutter heute noch nicht begreifen konnte.
    »Besaß Julia Freundinnen?« fragte ich zwischen.
    »Kaum.«
    »Also keine.« Mrs. Landers nickte.
    »Was waren denn ihre Hobbys?« fragte Suko.
    »Sie hat viel gelesen. Meist Bücher über versunkene Kulturen. Sie sagte immer zu mir: ›Mummy, ich habe das Gefühl, dort schon einmal gewesen zu sein. Wenn ich das lese, kann ich es mir so richtig vorstellen, als wäre ich selbst dazwischen‹.«
    »Und wie reagierten Sie?«
    »Ich fragte sie, als was sie gelebt hätte.« Mrs. Landers hob die Schultern. »Die Antwort war stets seltsam. Julia hat angeblich schon in ihrem ersten Leben Geige gespielt. Und zwar bei Beerdigungen und Toten-Prozessionen. Da sie so davon überzeugt gewesen war, bereits gelebt zu haben, muss sie diese Begabung in ihr zweites Leben mit hinübergenommen haben.«
    »Sie glauben also, dass Julia schon einmal existiert hat.«
    »Inzwischen ja.«
    Mich drückte schon lange eine Frage, die ich nun stellte. »Hätten Sie etwas dagegen, wenn wir Julias Grab öffnen lassen, Mrs. Landers?«
    Die Frau vor mir erschrak heftig. Das Blut wich aus ihrem Gesicht. Spontan schüttelte sie den Kopf. »Das kann ich nicht zulassen, Mr. Sinclair. Es wäre ja fast ein Verbrechen. Julia ist tot.«
    »Davon wollen wir uns eben überzeugen!«
    »Meinen Sie denn, der Sarg wäre leer?«
    »So ungefähr.«
    Sie schluckte ein paar Mal und verknotete ihre Hände ineinander. »Ich habe doch selbst gesehen, wie sie eingesargt wurde.«
    »Und Mrs. Featherhead sah Ihre Tochter auf einem Grabstein sitzen und Geige spielen«, bemerkte Suko und fuhr fort: »Die Witwe wurde von einem Polizisten begleitet, der seit dieser Nacht verschwunden ist. Die Erde auf dem Friedhof hat ihn verschlungen.«
    Helen Landers schüttelte den Kopf. »Das ist nicht zu verstehen. Wirklich nicht. Es tut mir leid, doch ich…«
    »Überlegen Sie es sich, Mrs. Landers. Wir werden heute noch zu Ihnen kommen und Sie auf dieses Thema ansprechen.«
    »Ich bleibe bei meinem Entschluss.«
    »Mal schauen.« Ich drückte mich in die Höhe. Auch Suko erhob sich. Wir beide wollten uns von Mrs. Landers
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