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Julia Festival 94

Julia Festival 94

Titel: Julia Festival 94
Autoren: L Graham
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gebracht. Zwischen zwei Herzanfällen, von denen der zweite tödlich gewesen war, hatte Adil das seinem verzweifelten Vater gestanden. Aus Furcht vor einem Skandal hatte er alle Spuren weitgehend verwischt, aber der alternde König, wie besessen von der Existenz eines Enkels, hatte alles darangesetzt, um die Mutter ausfindig zu machen. Jetzt fiel Jaspar die unselige, vielleicht sogar unmögliche Aufgabe zu, diesen Enkel nach Quamar zu bringen.
    Rashad erschien mit vielen Verbeugungen und legte Jaspar eine versiegelte Akte vor. „Seine Majestät hat einen klugen Vorschlag gemacht, durch den alle Probleme auf einmal gelöst würden“, sagte er dabei.
    Jaspar betrachtete den älteren Mann mit höflicher Aufmerksamkeit, aber ohne Hoffnung. Rashad war ein Jasager, der seinem königlichen Herrn in jeder Kleinigkeit recht gab.
    „Wir setzen eine militärische Spezialeinheit ein und entführen das Kind.“
    Jaspar konnte sich nur mühsam beherrschen. Manchmal verstand er seinen Vater wirklich nicht. König Zafir fühlte sich noch immer als unumschränkter Herrscher, für den die Welt und die Verhältnisse außerhalb Quamars keine Bedeutung hatten.
    „Wir müssten dann nicht mit dieser Ausländerin verhandeln“, fuhr Rashad eifrig fort. „Das Kind würde einen neuen Namen bekommen und als Waise aufgezogen werden. Vielleicht könnte man auch eine entfernte Verwandtschaft mit der königlichen Familie konstruieren.“
    Jaspar musste sich daran erinnern, wie hingebungsvoll Rashad früher mit ihm gespielt hatte, um über diesen abenteuerlichen Plan nicht in Zorn zu geraten. Rashad besaß nur wenig Verstand, und der König, Jaspars geliebter und verehrter Vater, hatte offenbar in seinem durch Krankheit und Kummer geschwächten Zustand den klaren Blick und die sonst übliche Vorsicht eingebüßt.
    „Bitte sagen Sie dem König, dass wir die Situation ohne derartig drastische Mittel bereinigen werden“, bemerkte er trocken.
    „Seine Majestät fürchtet zu sterben, ohne seinen Enkel gesehen zu haben“, beharrte Rashad.
    Jaspar kannte die Ängste seines Vaters, aber er hielt dessen Gesundheit für robust genug, um sich mit dem nötigen Willen von der gegenwärtigen Schwäche und den damit verbundenen Todesahnungen zu erholen. Lustlos schlug er die Akte auf. Er hatte erwartet, das Foto einer langbeinigen Brünetten zu finden – sein verstorbener Bruder hatte diesem Typ besonders gehuldigt –, aber es fand sich kein Foto, weder von der Mutter noch von dem Kind. Dafür hatte der Privatdetektiv in seinem Bericht umso ausführlicheres Beweismaterial zusammengetragen.
    Erica – eigentlich Frederica – Sutton, die Mutter des Kindes, hatte eine schwere Jugend gehabt. Mit achtzehn war sie mit einem verheirateten Mann aus der Nachbarschaft durchgebrannt, aber die Beziehung hatte nicht lange gehalten. Erica war Model geworden, ohne großen beruflichen Ehrgeiz zu entwickeln. Stattdessen hatte sie sich auf die Eroberung reicher verheirateter Männer spezialisiert und ein faules, luxuriöses Leben geführt.
    Als Erica ein Kind bekam, rätselte man vergeblich über den Vater. Man stellte nur fest, dass sie über scheinbar unbegrenzte finanzielle Mittel verfügte, denn sie kaufte sich in London eine teure Luxuswohnung und führte das aufwendige Leben eines vergnügungssüchtigen Partygirls.
    Je weiter Jaspar las, umso ernster wurde sein Gesicht. Was er aus diesen Zeilen erfuhr, schockierte ihn, und er wunderte sich nicht länger über den Zorn und die Besorgnis seines Vaters. Adil – das ließ sich nicht länger leugnen – hatte sich auf die einfachste und unfeinste Art aus der peinlichen Affäre gezogen. Er hatte das Kind einfach der verantwortungslosen jungen Mutter überlassen, die dieser Aufgabe keineswegs gewachsen war.
    Jaspar schob die Akte angewidert beiseite. Zweifel waren hier nicht angebracht. Er musste seinen Neffen aus dieser fatalen Situation befreien. Dass sich eine Kinderfrau des Kleinen aufopfernd angenommen hatte, war nur ein schwacher Trost. Eine Kinderfrau war eine bezahlte Angestellte und konnte jederzeit aus dem Dienst entlassen werden. Der Junge befand sich demnach in einer denkbar schlechten Umgebung und war körperlich und seelisch ständig in Gefahr.
    Jaspar schämte sich nachträglich, dass er die erregten Worte seines Vaters nicht ernster genommen hatte. Der Junge musste nach Quamar gebracht werden, eine andere Lösung gab es nicht.
    Jaspar lächelte vor sich hin. Er würde sein Ziel erreichen, ohne eine
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