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Julia Extra Band 359

Julia Extra Band 359

Titel: Julia Extra Band 359
Autoren: Lucy Ellis Maisey Yates Melissa James Jackie Braun
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Abgeschiedenheit seiner Räume. Er brauchte Ruhe, Zeit zum Nachdenken, die ihm nicht vergönnt schien. Dringende Staatsgeschäfte warteten auf ihn, unter anderem eine ziemlich überstürzte Vereidigungszeremonie. Nach Meinung seiner Berater duldete diese im Interesse der Stabilität des Landes keinen Aufschub.
    Während der folgenden fünf Stunden war Harun also damit beschäftigt, sich dem Protokoll zu fügen und seine Antrittsrede zu halten. Keiner der Anwesenden merkte, wie sehr er in Gedanken mit der Trauer um seinen neun Jahre älteren Bruder beschäftigt war: Fadi, eher Vaterfigur als Bruder.
    Seit Alims Verschwinden fühlte Harun sich entsetzlich einsam und allein. Was er natürlich perfekt zu verstecken wusste. Jahrelanges Training hatte ihn gelehrt, sich seine Gefühle nicht anmerken zu lassen. Sie zählten sowieso nicht, denn seine einzige Aufgabe war es, seinem Volk zu dienen. Ein verantwortungsvoller neuer Regent wurde gebraucht, und den würde sein Volk bekommen.
    Und doch … Harun ertappte sich dabei, wie seine Gedanken während der Zeremonie ständig abschweiften. Nicht nur zu Fadi …
    Dunkle Augen, sanft wie geschmolzener Honig. Samtige Haut im selben Farbton, rosige, volle Lippen und bezaubernde Grübchen, wenn diese Lippen lächelten. Eine Flut seidig schimmernder langer, dunkler Haare und der wiegende Gang: Visionen, die ihn alles um sich herum vergessen ließen, störten seine Konzentration auf die altehrwürdige Zeremonie.
    Abends schließlich, als sich die Dunkelheit über die Stadt herabsenkte, saß Harun an seinem Schreibtisch und aß ein schlichtes Sandwich. Das Staatsbankett hatte er wenige Minuten nach Bekanntgabe seiner Verlobung mit Amber verlassen. Er hatte wichtige Geschäftsangelegenheiten vorgeschützt, denn er wollte Amber seine Gesellschaft nicht länger als unbedingt nötig zumuten. Ihr erstaunter, verletzter Blick hatte ihn kurz irritiert, doch dieses Bild verdrängte er entschlossen.
    Konzentriert arbeitete er sich durch den Stapel Papiere auf seinem Schreibtisch, nur unterbrochen von einigen Anrufen anderer gekrönter Häupter und Präsidenten, die ihm gratulieren wollten. In ruhigen Momenten sah er immer wieder Ambers Gesicht vor sich. Doch dann verscheuchte er das verlockende Bild, um sich erneut in die Arbeit zu stürzen.
    Ihre Worte hingegen gingen ihm nicht aus dem Kopf. Sie hatte ganz recht, bis jetzt hatte er sie kaum eines Blicks gewürdigt. Aber nicht, weil er sie nicht mochte, sondern weil er es nicht wagte, sie anzuschauen. Zu sehr schämte er sich dafür, dass es ausgerechnet die Verlobte seines Bruders war, nach der er sich in unruhigen Nächten verzehrte. Selbst ihr Name erfüllte ihn mit schmerzlicher Sehnsucht: Amber, Bernstein, kostbar und wunderschön.
    Bis gestern hätte er nie zu träumen gewagt, dass er sich einmal mit diesem Juwel würde schmücken können.
    Scheich Aziz’ Angebot, Amber zur Frau zu nehmen, hatte den trauernden Harun völlig überrascht. Ohne weiter darüber nachzudenken, hatte er Ja gesagt. Und mit diesem Ja keimte eine Regung in ihm auf, die er schon nicht mehr für möglich gehalten hatte: Hoffnung. Hoffnung, seinen ganz persönlichen Albtraum nicht länger allein durchstehen zu müssen. Hoffnung, dass sie einander Trost schenken könnten. Deshalb war er heute zu Amber gegangen, um ihr das zu sagen.
    Eine Hoffnung, die in tausend Scherben zerbarst, als er die Unterhaltung zwischen ihr und ihrem Vater mit angehört hatte. Natürlich wollte Amber Alim, seinen attraktiven, charismatischen Bruder, den Helden der Nation. Welche Frau wollte ihn nicht?
    So hatte sich Haruns flüchtiger Traum von Hoffnung und Trost in einen weiteren Albtraum verwandelt. Es gab kein Entkommen, weder für ihn noch für sie.
    Dummkopf! Hatte er nicht schon vor langer Zeit lernen müssen, dass ihm solche Träume nicht vergönnt waren? Fadi, dem zukünftigen Herrscher, ja. Auch Alim, dem Helden und Liebling der Nation. Wie stolz seine Eltern auf ihn gewesen wären … Alim, das Goldkind. Natürlich gehörte Ambers Herz ihm – und natürlich legte Alim gar keinen Wert darauf. Er hatte sie kurzerhand zurückgewiesen, hatte Harun die Verantwortung für sie und das Land überlassen und sich einfach in die Schweiz abgesetzt. Ohne Abschied oder Erklärung.
    Und doch liebte Harun seinen Bruder. Er würde alles für ihn tun, wie jedermann hier. Das wusste Alim nur zu gut. Er wusste, Harun würde die Regierungsverantwortung klaglos übernehmen und sich für sein Volk
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