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Jugend

Jugend

Titel: Jugend
Autoren: Josef Conrad
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besser das Schiff.‹
    Wir schwiegen. Er unterhielt sich eine Weile abseits mit dem Kapitän – schien ihn überreden zu wollen. Dann fuhren sie gemeinsam zum Dampfer hinüber.
    Als unser Kapitän zurückkehrte, hörten wir, daß
    der Dampfer die Somerville sei, Kapitän Nash, von Westaustralien nach Singapore, via Batavia, mit Post, und daß man übereingekommen sei, uns ins Schlepptau zu nehmen und nach Anjer oder, wenn möglich, nach Batavia zu bringen, wo wir das Feuer durch Fluten des Laderaums löschen und danach unsere Reise fortsetzen könnten – nach Bangkok! Der alte Herr schien ganz aufgeregt. ›Wir werden es doch noch schaffen‹, sagte er mit Ungestüm zu Mahon. Er hob trotzig die Faust zum Himmel. Niemand sonst sagte ein Wort.
    Um die Mittagszeit begann der Dampfer zu schleppen. Schlank und hoch lief er vor uns her, und was von der Judea übrig war, folgte am Ende einer siebzig Faden langen Schlepptrosse – folgte ihm eilig wie eine Rauchwolke, aus der oben Mastspitzen herausragten. Wir gingen in die Toppen, um die Segel festzumachen. Wir husteten, waren aber gewissenhaf bemüht, die Segel glatt auf die Rahen zu holen. Könnt ihr euch vorstellen, wie unsere Schar sauber die Segel dieses Schiffes festmachte, das dazu verurteilt war, nirgends hinzugelangen? Unter uns war keiner, der nicht damit rechnete, daß jeden Augenblick die Masten kippen könnten. Von dort oben konnten wir vor Rauch das Schiff nicht sehen, und die Männer arbeiteten doch mit Sorgfalt, holten die Seisinge in gleichmäßigen Törns herum. ›Hafenmäßig festmachen – ihr da oben!‹ rief Mahon von Deck.
    Versteht ihr? Ich glaube, daß keiner der Burschen damit rechnete, auf normale Weise wieder hinunterzugelangen. Als es dann doch geschah, hörte ich sie untereinander sagen: ›Nun, ich dachte schon, wir kämen über Bord herunter, in Bausch und Bogen – samt Masten und allem –, verdamm mich, wenn ich das nicht dachte.‹ ›Das dachte ich im stillen auch‹, antwortete dann müde eine andere zerschrammte und verbundene Vogelscheuche. Und wohlgemerkt: dies hier waren Männer, denen die eingedrillte Gewohnheit des Gehorsams fehlte. Einem Zuschauer wären sie als übles Lumpenpack erschienen, ohne jeden versöhnlichen Zug. Was veranlaßte sie, dies zu vollbringen – was veranlaßte sie, mir zu gehorchen, als ich, völlig im klaren darüber, wie gut das sei, sie zweimal die Mitte des Fock wieder losmachen ließ, damit sie das Segel noch besser festmachten? Was? Sie hatten keine Berufsehre – hatten keine Vorbilder, erwarteten kein Lob. Es war nicht Pflichtgefühl; sie wußten alle sehr wohl, wie man sich drückt, wie man faulenzt und einer Sache ausweicht – wenn sie es darauf anlegten –, und das hatten sie meistens getan. Waren es die zweieinhalb Pfund pro Monat, die sie hier heraufschickten? Sie hielten ihre Heuer nicht halbwegs für angemessen. Nein, es war etwas in ihnen, etwas Eingeborenes und Verborgenes und Dauerhafes. Ich möchte nicht gerade behaupten, daß die Besatzung eines französischen oder deutschen Handelsschiffes nicht ebensolches vollbracht hätte, aber ich bezweifle, daß sie es in derselben Weise vollbracht hätte. Eine Vollkommenheit lag darinnen, etwas, das gediegen war wie ein Prinzip und unfehlbar wie ein Instinkt – eine Offenbarung von etwas Geheimem – von jenem verborgenen Etwas, jener Begabung zum Guten oder Bösen, die Rassenunterschiede ausmacht, die das Geschick einer Nation formt.
    In dieser Nacht um zehn Uhr war es, daß wir zum erstenmal, seitdem wir es bekämpfen, des Feuers ansichtig wurden. Von der Fahrt in Schlepp war der schwelende Brand angefacht worden. Ein blauer Glanz tauchte vorne auf und leuchtete unter den Trümmern des Decks hervor. Er verschob sich, schien sich zu regen und weiterzukriechen, wie das Licht eines Glühwürmchens. Ich sah ihn als erster und meldete es Mahon. ›Dann ist es aus mit dem Spiel‹, sagte er. ›Wir sollten das Schleppen lieber abstoppen, sonst schlagen die Flammen plötzlich vorn und achtern hoch, ehe wir von Bord kommen.‹ Wir begannen zu brüllen, läuteten die Schiffsglocke, um die Aufmerksamkeit der anderen auf uns zu lenken; sie schleppten weiter. Schließlich mußten Mahon und ich nach vorn kriechen und die Trosse mit einer Axt kappen. Es blieb keine Zeit, sie loszuwerfen. Man konnte die roten Flammenzungen sehen, die um das Splitterwerk unter unseren Füßen leckten, als wir uns einen Weg zur Poop bahnten.
    Natürlich bemerkten sie
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