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Jugend

Jugend

Titel: Jugend
Autoren: Josef Conrad
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das wir hatten, lag – einem bloßen Lüfchen –, nicht achtern bleiben wollten, wo sie sicher gewesen waren, sondern in der dickfelligen Art, die Booten eigen ist, beharrlich versuchten, unter das Heck und dann längsseits zu treiben. Sie stießen gefährlich gegeneinander und gerieten in die Nähe der Flammen, während das Schiff gegen sie rollte. Und natürlich war ständig zu befürchten, daß die Masten über Bord gingen. Ich und meine beiden Leute hielten die Boote, so gut wir es mit Riemen und Bootshaken vermochten, vom Schiff ab; aber sich unentwegt mit den Booten abplagen zu müssen wurde auf die Dauer sehr lästig; zumal nicht einzusehen war, weshalb wir das Schiff nicht unverzüglich verlassen sollten. Die an Bord waren nicht zu sehen, und wir konnten uns gar nicht vorstellen, was diese Verzögerung bewirkt haben mochte. Die Leute fluchten leise, und ich hatte nicht nur meinen Teil der Arbeit zu leisten, sondern mußte auch noch zwei Männer bei der Stange halten, die eine beständige Neigung zeigten, sich niederzulegen und den Dingen ihren Lauf zu lassen.
    Schließlich rief ich hinauf: ›Heh, an Deck‹, und jemand blickte über die Reling. ›Wir sind hier klar‹, sagte ich. Der Kopf verschwand und tauchte gleich wieder auf. ›Der Kapitän sagt, es sei gut, und daß die Boote ja klar vom Schiff gehalten würden.‹ Eine halbe Stunde verstrich. Plötzlich entstand ein fürchterliches Getöse, Rattern, Kettengeklirr, Gezisch, und dann stoben Millionen Funken in der bebenden Rauchsäule auf, die in leichter Schräge über dem Schiff stand. Die Kranbalken waren verbrannt, und die beiden rotglühenden Anker waren ins Meer gefallen, wobei sie zweihundert Faden glühendheißer Ketten mit sich rissen. Das Schiff erzitterte, die Flammenmasse schwankte, als sei sie bereit, in sich zusammenzusinken, und die Bramstenge kam von oben. Sie sauste wie ein Feuerpfeil nieder, schoß ins Wasser und tauchte sogleich wieder in Riemenlänge von den Booten auf; dann trieb sie ruhig und sehr schwarz über das beleuchtete Meer. Ich rief abermals das Deck an. Nach einer Weile erschien ein Mann und unterrichtete mich unerwartet munter und in gedämpftem Ton, so als versuche er, mit vollem Mund zu sprechen: ›Kommen sogleich, Sir.‹ Dann verschwand er wieder. Eine Weile hörte ich nichts als das Schwirren und Brüllen des Feuers. Auch pfeifende Geräusche waren darunter. Die Boote tanzten, zerrten an den Bootsleinen, rannten spielerisch ineinander, schlugen mit den Dollen gegeneinander, oder – wir mochten uns anstellen, wie wir wollten – schwangen alle auf einmal gegen die Bordwand. Ich hielt es nicht länger aus, kletterte ein Tauende hoch und sprang über das Heck an Bord.
    Oben war es taghell. Die Feuerwand, auf die ich stieß, als ich heraufam, war ein erschreckender Anblick und die Hitze anfangs kaum zu ertragen. Auf einem Sofapolster, das aus der Kajüte gezerrt worden war, schlief Kapitän Beard, die Beine hochgezogen und den einen Arm unter dem Kopf, während der Feuerschein über ihn hinzuckte. Wißt ihr, womit das übrige Schiffsvolk beschäftigt war? Es saß auf dem Achterdeck um eine offene Kiste, aß Brot und Käse und trank dazu Bier aus Flaschen.
    Vor diesem Hintergrund wütend über ihren Köpfen aufzüngelnder Flammen schienen sich die Männer zu Hause zu fühlen wie Salamander und sahen dabei aus wie eine Rotte verwegener Piraten. Das Feuer funkelte im Weiß ihrer Augäpfel, glänzte auf der hellen Haut, die durch zerfetzte Hemden schimmerte. Jeder trug Spuren an sich wie von einer Schlacht – hier ein verbundener Kopf, dort ein Arm in der Schlinge, schmutzige Lappen um ein Knie – und jeder hatte eine Flasche vor sich stehen, ein Stück Käse in der Hand. Mahon stand auf. Mit seinem prächtigen, abenteuerlichen Kopf, seinem hakennasigen Profil, seinem langen weißen Bart und mit der entkorkten Flasche in der Hand ähnelte er einem jener tollkühnen Seeräuber früherer Zeiten, die es sich wohl sein ließen inmitten von Unheil und Zerstörung, ›Die letzte Mahlzeit an Bord‹, erklärte er feierlich. ›Wir hatten den ganzen Tag noch nichts gegessen, und es hat keinen Sinn, dies alles umkommen zu lassen.‹ Er schwenkte die Flasche und deutete auf den schlafenden Kapitän. ›Er sagte, er bringe doch nichts hinunter, so überredete ich ihn, sich hinzulegen‹, fuhr Mahon fort; und ich starrte ihn an. ›Ich weiß nicht, ob Sie sich bewußt sind, junger Mann, daß die Leute schon seit Tagen
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