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Jürgen Klopp: Echte Liebe

Jürgen Klopp: Echte Liebe

Titel: Jürgen Klopp: Echte Liebe
Autoren: Elmar Neveling
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Zuschauer – Kloppo war da noch Spieler. »Nur 800«, sagt Trik. Ob mal Borussia Dortmund nach Glatten kommt, wird der Trainer auf der Meisterfeier gefragt: »Das kann durchaus noch dauern«, antwortet Klopp, zu wenig spielstarke Gegner in der Gegend, da kann er ziemlich unsentimental sein.
    Der Waldplatz
    Wir fahren auf den Waldplatz, auf dem der junge Klopp gespielt hat. Sattes Grün, mit dem Stumpf einer Tanne auf der Auslinie. Auch als der Stumpf noch ein stattlicher Baum war, kein Hindernis. Vor nicht allzu langer Zeit wurde ein Fangnetz errichtet, damit die Bälle nicht in die Lauter fliegen, die keine fünf Meter hinterm Platz durchs Tal plätschert. »Ständig«, sagt Trik, sind Bälle in die Lauter geflogen, es gab eine Stange, um sie raus zu holen. Bei Niedrigwasser kein Problem, bei Normalwasser war der Ball »beim Teufel«. Und so, wie Trik des Wort »Teufel« ausspricht, sieht man Satan in der Fußball-Hölle, wie er mit den verdammten Seelen kickt – mit Bällen aus dem seit der Reformation protestantischen Glatten.
    Die Schranke, von Trik schick in gelb-schwarz – den Vereinsfarben des SV Glatten – gestrichen, soll verhindern, dass »Junge, Mittelalte und Alte nachts hierher kommen, und Unsinn machen«. Der Platz, lauschig und abgeschieden, schreit nach Unsinn. Die Tore hat Trik auch selbst gebaut, bis auf die beiden neuen. Er war auch schon im hölzernen Vereinsheim, das hier steht, tätig. Das wurde 1970 gebaut, ist 1986 abgebrannt, und wurde dann wieder neu aufgebaut. Jetzt ein Geräteschuppen.
    Alle Mannschaften, auch die drei der Frauen, die zwei Mal pro Woche trainieren, wechseln zwischen dem »neuen« Platz und dem »alten«. Vor allem im Sommer wird gerne im Wald trainiert, weil hier Schatten ist, den gibt es drüben nicht.
    Der Maulwurf
    Vor dem Tannenstumpf auf dem Waldplatz ist der schöne, ebene Rasen ein wenig hügelig und bröselig. Da sind kleine braune Erhebungen aus Erde – die schiebt der Höhlen grabende Maulwurf an die Oberfläche. Der Maulwurf schafft es, dem mit der Tugend der Gelassenheit reichlich versehenen Gerhard Trik die Fassung zu rauben. »Gegen die Maulwürfe kämpf ich mit allen Mitteln«, knurrt er, und zählt auf: Gift und Fallen. Dem einen oder anderen Maulwurf hat er den Garaus gemacht, aber diese Hügel, die sind ganz frisch. »Gestern«, sagt er, »waren die noch nicht da.«
    Muss er wieder mit Fallen arbeiten. »Das mache ich nicht gerne während des Trainingsbetriebs«, sagt der Platzwart. Er markiert die Stelle, an der er eine Falle aufstellt, mit einem Stecken, aber die Kinder ziehen den Stecken raus, und dann ist die Falle weg, weil er sie nicht wiederfindet. Verdammte Maulwürfe. Dabei weiß man als oberirdisch operierender Zweibeiner nicht mal sicher, mit wie vielen Gegnern man es aufnehmen muss. »Kann sei, des isch bloß oiner, aber der gräbt mir den ganzen Platz um«, schimpft Trik. Der durchaus Sympathie für die Talpidae hat: »Auf em Acker isch des in Ordnung, aber auf em Sportplatz hen die nix verloren.«
    Wir sitzen immer noch in der »Linde«, es ist dunkel, das Weizenbier macht durstig. Rafinha erzielt für die Bayern das 2:0 gegen Villareal, beifälliges Gemurmel der Zuschauer im Nebenraum. Jens Haas, der Ingenieur, nimmt noch ein Bier. Ich auch. Wir reden über die schwierigen Fragen. Warum gelingt einer Mannschaft an dem einem Tag nichts, und an einem anderen alles? Und wie sich die Spieler gegenseitig anstecken, im Guten wie im Schlechten. Der Haas würde das Spiel gerne berechnen, so wie Ingenieure das machen, aber er ahnt, dass das nicht geht. Dann verabschieden wir uns, und ich bin froh, dass es seit 1904 Straßenbeleuchtung in Glatten gibt.
    Heimweh
    Die Arbeit schiebt die Menschen durch die Welt. Und der Fußball ist ein großer Schieber. Manche wechseln den Kontinent, andere die Kultur, vielleicht muss man ja von Glück reden, wenn man im Land bleiben kann, auch wenn die Strecke von Dortmund nach Glatten »ab Pforzheim auf der Bundesstraße echt lästig wird, wenn man den Falschen vor sich hat«, sagt Klopp.
    In Stuttgart, auf dem lädierten Hauptbahnhof, gibt es einen elektronischen Gimmick. Da ist zu sehen, wie das Wetter in Deutschland ist. Die wissen, warum sie das hier aufstellen. Über Württemberg scheint an dem Tag, an dem ich zurückfahre, die Sonne. Über dem Norden – Wolken. Wie an dem Tag, an dem ich gekommen bin. Ich frage mich, warum ich zurückfahre, obwohl ich weiß, dass ich es auch nicht aushielte,
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