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Judastöchter

Titel: Judastöchter
Autoren: Markus Heitz
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Linien anstatt Narben auf der Haut des Mädchens. Die Fäden waren herausgefallen.
    Es wurden Fotos gemacht und die Heilung als unerklärlich registriert. Bevor die Medien Wind von dem Wunder bekamen, verschwanden Sia und Elena in Richtung Deutschland. Das U-Boot, das ihr der Ard Rí überlassen hatte, leistete treue Dienste und brachte sie durch die Nordsee bis nach Hamburg, wo Wilson sie bereits erwartete.
    Nun begann ein neues Leben.

10. Oktober, irgendwo in Deutschland,
14.43 Uhr
    N och einen Tee, Frau Karkow?«
    Sia hob die Tasse, und Wilson goss nach. Er trug einen Butlerdress, exakt gebügelt und wohlriechend, und das trotz der Millionen, auf die er Zugriff hatte.
Der Mann lebt für seinen Job.
»Danke sehr, Wilson. Schenken Sie sich ein, und setzen Sie sich zu mir.«
    Er sah auf die Uhr. »Sehr gern, Frau Karkow, aber ich möchte darauf hinweisen, dass ich Elena in zehn Minuten vom Reitunterricht abholen muss. Danach haben wir einen Termin beim Dermatologen wegen des Ausschlags.«
    Sia saß im abgedunkelten Wohnzimmer der Villa, abseits der Sonnenstrahlen, die durch die Ritzen fielen. »Ist er wieder schlimmer geworden? Davon hat sie mir nichts gesagt.« Ihr Handy klingelte, und auf dem Display erschien die Nummer von:
Eric!
Mit klopfendem Herzen langte sie nach dem Telefon.
    »Die Sonnenallergie hat sich mit den Calciumpräparaten gut unterdrücken lassen, aber in der letzten Woche war sie wohl unvorsichtig und nachlässig«, gestand er. »Sie wollte keinen Rüffel von ihrer Mutter kassieren.« Er schenkte sich ein und wollte gehen, aber sie gab ihm mit einem Wink zu verstehen, dass er bleiben sollte. Er setzte sich ihr gegenüber.
    Sie nahm den Anruf entgegen. »Wie geht es dir?«
    »Oh, danke. Sehr gut«, antwortete er und klang glücklich. Im Hintergrund erklang Livemusik, eine Frau spielte Klavier und sang dazu. Es schien eine Variation von
My Immortal
zu sein. Sia mochte die Stimme der Sängerin auf Anhieb. »Ich sitze hier im
Mephisto
und gönne mir einen White Russian. Wie es aussieht, habe ich die Lage in Leipzig unter Kontrolle.«
    »Keine Wandler mehr?«
    »Zumindest keine, die sich auffällig benehmen. Aber ich passe schon auf.« Leiser Applaus erklang, die Sängerin hatte ihren Song beendet. »Und wie steht’s bei euch?«
    »Alles bestens«, antwortete sie. »Wir leben vollkommen entspannt und friedlich. So ruhig war es selten in meinem Leben.« Nach einer kurzen Pause sagte sie: »Du fehlst mir.«
    »Ich weiß, und mir geht es genauso. Wir reden morgen unbedingt wieder via Computer! Ich möchte dein Gesicht sehen.«
    Sia wusste, dass es für ihn leichter war, das Verlangen zu kontrollieren, wenn eine Konversation über Bildschirm lief und nicht in echt. Die Gerüche fehlten, und auch das In-die-Augen-Schauen war abgemilderter. Sie redeten über die Kameras viele Stunden miteinander. Es bereitete Eric keine Probleme mehr. »Hast du noch mal was vom Ard Rí gehört?«
    »Nicht direkt. Meine Informanten berichteten mir heute, dass es endgültig ruhig geworden ist. Die Wandler haben nicht den Fehler begangen und zeigen sich nach ihrem Triumph über die Vampire. Der Ard Rí scheint zu wissen, wie man die Sache angeht.« Die Musik im Hintergrund wurde leiser, Eric schien das
Mephisto
verlassen zu haben, um in Ruhe sprechen zu können. Sie wusste, dass er in der Mädler-Passage stand. »Es gibt das Gerücht, dass er einen Typen namens David O’Liar hat umbringen lassen. Man hat ihn in Einzelteilen neben einem schottischen Breitschwert gefunden, die Haut war überzogen mit Hunderten Schnitten. Stand auch in der
Irish Folk
als Aufmacher. Angeblich war der Mann ein einflussreicher, gefürchteter Lobbyist. Ich habe den Artikel gelesen. Da steckte viel Erleichterung drin, dass O’Liar draufgegangen ist. Die Zeitung nannte ihn
Bote des Teufels,
und es wurden mehrfach Erpressung und Einschüchterung erwähnt. Ich unterstelle O’Liar, dass er ein Verbündeter der Sídhe gewesen ist, der ihre weltlichen Angelegenheiten regelte. Kann mich aber irren.«
    O’Liar – was für ein Name!
Sia fuhr sich durch die roten Haare. »Ich glaube, dass du richtigliegst. Der Ard Rí bereinigt seine Insel.« Vor der nächsten Frage fürchtete sie sich fast: »Wirst du wieder nach Irland gehen?« Ihre Stimme hörte sich spröde an und verriet ihre Angst um ihn.
    Eric zögerte. »Du meinst, weil es für einen Wandlerjäger viel zu tun gibt?«
    »Ja.«
Bitte geh nicht! Bitte geh ni…
    »Ich denke, ich bleibe erst mal in
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