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Judastöchter

Titel: Judastöchter
Autoren: Markus Heitz
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Ahnin war sie auch Mutter.
    Den Vorwurf, das Unglück ausgelöst zu haben, hatte sie sich die ganze Überfahrt lang gemacht. Wie ein Mantra hatte Sia die Schuld wiederholt, vor sich hergebetet, auf sich genommen. Das Brechen der eisernen Regel, sich von ihren Nachfahren fernzuhalten, hatte schreckliche Folgen für die geliebten Menschen gehabt.
Erst Marek, dann Harm Byrne und die Nachtkelten.
    Sia spielte mit einer dunklen Haarsträhne des Mädchens, richtete den helleren Pony.
Ich hätte im Hintergrund bleiben müssen. Ist es nun vorbei oder lediglich eine Frage der Zeit, wann die nächsten Gegner auftauchen?
Ihr wollten keine einfallen – aber es beruhigte sie nicht.
    Elenas Lider zuckten. Sie öffnete die Augen und schaute sich verschlafen um. Dann entdeckte sie Sia. »Tante … Jitka«, sagte sie und benutzte den alten Tarnnamen. Zum Glück waren sie alleine, sonst hätten sich die Ärzte sicherlich gewundert.
    »Hallo, meine Große.« Sia hatte einen Klumpen in der Kehle, der sich groß wie ein Kopf und schwer wie Gold anfühlte, mit Widerhaken besetzt, so dass sie ihn nicht schlucken konnte. Ein Klotz, der doppelt so groß und schwer war, lag ihr im Magen, während sich ein Geflecht aus Stacheldraht um ihr Herz spannte und sich zuzog. Das Monstrum Wahrheit kroch näher und näher. »Na?« Sie glaubte es selbst kaum:
Wie kann ich Na? sagen?
    Elena schaute sich um. »Geht so, Tante Sia.« Sie zeigte auf die Infusionsbeutel, die Verbände an den Unterarmen waren unübersehbar. Darunter lagen die Schnittwunden verborgen, die sie sich selbst zugefügt hatte. »Oh, endlich leer. Diese Dinger nerven. Ich glaube, sie haben mir am Tag zehn von denen reinlaufen lassen, und ich …« Sie sah unsicher in ihr Gesicht. »Seid Mama und du sehr böse auf mich?«, raunte sie.
    »Wilson hat erzählt, warum du es getan hast. Auch wenn dich die Absicht ehrt, ist das kein Grund, Elena! Außerdem konntest du nicht wissen, ob du eine Vampirin wirst.«
Gott, wie sage ich es ihr? Wie sage ich einem Kind, dass es keine Mutter mehr hat?
Der Stacheldraht um ihr Herz zog sich fester und schien es langsam auseinanderzureißen.
    »Ich bin mir sicher«, kam es fest aus Elenas kleinem Mund.
    »Und wenn du einfach stirbst? Wem wäre dann geholfen?« Sia nahm Elena in die Arme, und ihre Umarmung wurde kräftig erwidert. »Ich bin so froh, dass es nicht geklappt hat«, sagte sie leise in ihr Ohr. »Versprich mir, dass du es nie wieder tust.«
    »Ja, Tante Sia. Wenn du mir auch etwas versprichst«, gab sie ebenso leise zurück. Ihre Stimme verursachte Sia einen Schauder. »Sollte ich sterben, wann und wo auch immer, und als Judastochter auferstehen, wirst du mich
nicht
umbringen.«
    Sia schluckte. Sie würde alles tun, damit Elena diesen Schwachsinn nicht noch einmal versuchte. »Einverstanden. Das ist eine Abmachung, die ich eingehen kann.« Sie ließ Elena los und streckte die Hand hin.
    Das Mädchen schlug ein. »Es wäre schön, wenn du mich ausbilden würdest, sollte ich zu einer von euch werden.«
    »Geht klar.« Das Lächeln auf dem jungen Gesicht trug etwas Wissendes in sich, das Sia verwunderte und verunsicherte. Als hätte sie ein wichtiges Spiel gewonnen. Sie wischte den Gedanken beiseite. Wichtigeres, Schlimmeres stand an.
Wie bringe ich ihr Emmas Tod bei?
»Ich muss dir …«
    Es klopfte leise.
    Sia war froh, weitere Sekunden gewonnen zu haben, um das Thema aufzuschieben. »Ja?«
    Die Tür öffnete sich, und Justine trat ein. Sie trug dieses Mal ein schwarzes Kostüm und High Heels, die sie fünfzehn Zentimeter größer machten. »Bonjour«, sagte sie freundlich und hob einen kleinen Korb voller Süßigkeiten. »Ich bin Tante Justine, ma petite, und eine gute Freundin von Sia. Ich habe dir was mitgebracht, was dich schnell wieder auf die Beine bringt.« Sie kam an das Bett und bot ihr das Mitbringsel an. »Voilà: chocolat!«
    Elena grinste. »Oh, danke sehr!« Sie suchte in dem Sammelsurium und angelte den Nougat heraus.
    »Aber das ist nicht alles.« Justine sah zu Sia und nahm eine kleine, blecherne Phiole heraus. »Das«, flüsterte sie und spielte die Geheimnisvolle, »ist ein Wundermittel, das dafür sorgt, dass deine Wunden innerhalb eines Augenblicks verschwinden.«
    Sia wusste, was es war.
Das Sanctum!
Die Französin hatte ihre Kontakte zum Orden genutzt, um das Heilmittel zu organisieren.
    Elena musste auflachen. »Woher sollte so etwas kommen?«
    »Aus der gleichen Welt, aus der die Vampire und Werwölfe kommen«, gab
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