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Judastöchter

Titel: Judastöchter
Autoren: Markus Heitz
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Justine zurück und öffnete den Drehverschluss. Darin kam eine Glaskokille zum Vorschein.
    Sia würde Justine gewähren lassen, denn die Entscheidung war bereits gefallen. Das Blut Christi würde den Dämonenkeim herausjagen.
Damit komme ich nicht in die Situation, sie eines Tages als Judastochter ausbilden zu müssen.
Sie würde Elena niemals sagen, dass ihr Sanctum eingeflößt worden war.
Es ist besser, wenn sie nicht von meinem Betrug an ihr erfährt. Ich habe schon großes Glück, sollte sie mir Emmas Tod vergeben.
    Elena grinste noch immer, steckte sich den Nougat in den Mund. »Schmeckt es eklig?«
    »Nicht zusammen mit dem Nougat.« Justine reichte ihr das Fläschchen. »In einem Schluck, Mademoiselle. Es ist nicht viel, höchstens ein Fingerhut voll.«
    Elena sah zuerst zu Sia, als wollte sie ihr Einverständnis haben. Und Sia nickte. Lächelte.
Ich übe Verrat. Wie einst Judas.
    »Dann bin ich gespannt«, sagte Elena ernst. Sie setzte die Öffnung an die Lippen, kippte leicht und schaute die Erwachsenen noch einmal an. »Wehe, das Zaubermittel wirkt nicht«, nuschelte sie und trank es.
    Sia verkrampfte, wollte einschreiten und biss die Zähne fest zusammen. Sie sah zu Justine und machte ihr mit dem Ausdruck ihrer Augen klar, welch großen Vertrauensvorsprung sie der Wandlerin eingeräumt hatte.
    Elena schluckte und kaute gleichzeitig, dann musste sie husten – und konnte nicht mehr aufhören.
    »Ist das normal?« Sia sah alarmiert zu Justine und nahm das Kind in die Arme.
    Die Französin machte eine beruhigende Geste, während sie die Phiole auffing, den Verschluss von der Bettdecke nahm und zudrehte; schnell steckte sie das Behältnis ein. »Es ist das Böse. Es widersetzt sich der Austreibung. Da es nicht zum Ausbruch gekommen ist, besteht für Elena keine große Gefahr.«
    Das Mädchen verdrehte die Augen und erschlaffte, sackte in den Armen ihrer Tante zusammen.
    »Sie …« Sia tastete nach dem Puls. »Der Puls ist weg!« Ihre Hand streckte sich nach dem Notfallknopf.
    Doch Justine zog ihn weg. »Non! Es wird nichts geschehen! Wir brauchen keine Ärzte. Du musst ruhig bleiben und abwarten. Die Unschuld unterstützt das Gute.«
    Sia knurrte sie an, ihre Fangzähne wollten ausfahren. »Ich weiß nicht, was ich tun werde, wenn …«
    Der Herzschlag kehrte zurück, aber Elena hielt die Augen geschlossen. Doch die Brust hob und senkte sich anhaltend und rhythmisch. Nichts wies auf eine gravierende gesundheitliche Gefährdung hin.
    Erleichtert atmete Sia auf.
Für einen Moment dachte ich …
Sie nickte Justine zu. »Danke. Und verzeih, dass ich eben …«
    »Pas de quoi. Die Schwesternschaft lebt dafür, die Unschuldigen zu retten und sie den Klauen des Bösen zu entreißen.« Sie fuhr Elena zärtlich mit dem Zeigefinger über die rechte Wange. »Schlaf und träume süß, ma petite.«
    »Wie wissen wir, ob das Sanctum seine Kraft entfaltet hat?« Sia nahm sich von dem Wasser. »Ich will keine zu große Zweiflerin sein, aber …«
    Justine hob die Hand. »Ich verstehe das. Die Schwesternschaft sagte mir, dass der Keim immer ausgerottet wird. Nur wenn er bereits zum Ausbruch gekommen ist, wie bei Eric oder bei mir, kann es zu Problemen kommen. Sie ist gerettet, und ihre Wunden werden verschwunden sein.«
    Sia wollte es glauben, doch die Bedenken wurden nur leiser, anstatt vollständig zu verstummen. Und sie musste Elena immer noch sagen, dass sie keine Mutter mehr hatte. »Hat sich Eric gemeldet?«
    »Ja. Er ist inzwischen in Leipzig, wie er mir am Telefon sagte.« Justine setzte sich vom Bett auf den Stuhl. »Er lässt dir schöne Grüße ausrichten und dass er an seinem
Problem
arbeitet.«
    »Welches Problem?«
    »Dass er dich fressen möchte.« Justine legte den Zeigefinger an die linke Schläfe und schlug die Beine übereinander. Sie wirkte mondän, elegant und doch verrucht. »Oh, là, là. Ich habe weitere Nachforschungen angestellt. Mein Bruder, non, sagen wir,
ihr beide
habt ein Problem: Sein Dämon und deiner mögen sich nicht. Und aus dem Grund muss Eric dich … alors, es ist eine Mischung aus Sex und Hunger. Et pour toi, als einer Kennerin: Es ist der gleiche Dämon, der auch die Vampire von der Art der Vieszcy gerne als seine Soldaten benutzt.«
    Sia dachte sofort an Tanguy Guivarch, ihren Sohn, der zweifachen Fluch auf sich geladen hatte und seine Seele ungewollt an zwei Dämonen vergeben musste, was ihn den Verstand gekostet hatte. Wilson hatte ihr vor ihrer Abfahrt mit dem neuen U-Boot
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