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Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Titel: Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
Autoren: Lion Feuchtwanger
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unentbehrlich und so fest in seiner Gunst, daß er sich begnügte, das Staatskleid übers Nachthemd zu werfen.
      Sein nicht großer, doch stattlicher Körper dunstete also noch die Wärme des Bettes aus, wie er vor dem Kaiser erschien. Der mächtige, viereckige Kopf auf den noch mächtigeren, eckigen Schultern war nicht zurechtgemacht, das feste Kinn, unrasiert, wie er war, wirkte noch brutaler, und die modischen Stirnlocken des sehr dicken, tiefschwarzen Haares zackten, starr gefettet und trotzdem unordentlich, grotesk in das vierschrötige Gesicht. Seinem Polizeiminister nahm der Kaiser diese Nachlässigkeit nicht übel, vielleicht bemerkte er sie gar nicht. Er wurde vielmehr sogleich vertraulich. Legte, der große Mann, den Arm um die Schulter des viel kleineren, führte ihn auf und ab in dem weiten, dämmerigen Saal, sprach mit ihm halblaut in Andeutungen.
      Sprach davon, daß man den Krieg und seine Abwesenheit dazu benutzen könnte, den Senat ein wenig auszukämmen. Nochmals, mit Norban jetzt, ging er die Namen seiner Feinde durch. Er wußte gut Bescheid und hatte ein gutes Gedächtnis, doch Norban hatte in seinem breiten Kopf noch viel mehr Fakten vorrätig, Vermutungen und Gewißheiten, Pros und Kontras. Auf und ab ging der Kaiser mit ihm, steifen Schrittes, beschwerlich, den Arm immer um seine Schultern. Hörte zu, warf Fragen ein, äußerte Zweifel. Er trug kein Bedenken, Norban in sein Inneres hineinschauen zu lassen, er hatte tiefes Vertrauen zu ihm, ein Vertrauen, das aus einem geheimen Schacht seiner Seele kam.
      Norban erwähnte natürlich auch den Aelius, den ersten Mann der Kaiserin Lucia, jenen Senator, der dem Domitian den Namen Wäuchlein gegeben hatte und den Domitian so gern auf seiner Liste gelassen hätte. Es war dieser Aelius ein lebenslustiger Herr. Er hatte Lucia geliebt, er liebte sie wohl heute noch, er liebte auch die vielen andern angenehmen Dinge, mit denen ihn das Schicksal begnadet hatte, seine Titel und Ehrungen, sein Geld, sein gutes Aussehen und fröhliches Wesen, das ihm überall Freunde schuf. Aber mehr als dieses alles liebte er seinen Witz, und er stellte ihn gern ins Licht. Schon unter den früheren Flaviern hatten ihm seine Witzworte Unannehmlichkeiten gebracht. Unter Domitian, der ihm Lucia entführt hatte, war er doppelt gefährdet und hätte seine Zunge mit doppelter Vorsicht hüten müssen. Statt dessen erklärte er frivol, er kenne genau die Krankheit, an der er einmal werde sterben müssen, diese Krankheit werde ein guter Witz sein. Auch heute berichtete Norban dem Kaiser von ein paar neuen respektlosen Witzen des Aelius. Bei der Wiedergabe des letzten indes unterbrach er sich, bevor er zu Ende war. »Sprich weiter!« forderte ihn der Kaiser auf; Norban zögerte. »Sprich weiter!« befahl der Kaiser; Norban zögerte. Der Kaiser lief rot an, beschimpfte seinen Minister, schrie, drohte. Schließlich erzählte Norban. Es war ein ebenso geschliffener wie obszöner Witz über jenen Körperteil der Lucia, durch den Aelius mit dem Kaiser sozusagen verwandt war. Domitian wurde tödlich blaß. »Sie haben einen guten Kopf, Polizeiminister Norban«, sagte er schließlich mühsam. »Schade, daß Sie jetzt sich und mich um diesen Kopf geredet haben.« – »Sie haben mir befohlen zu reden, Majestät«, sagte Norban. »Gleichviel«, erwiderte der Kaiser und begann plötzlich schrill zu schreien, »du hättest solche Worte nicht wiederholen dürfen, du Hund!«
      Norban indes war nicht sehr erschüttert. Bald denn auch beruhigte sich der Kaiser wieder, und man sprach sachlich weiter über die Kandidaten der Liste. Wie Domitian selber schon befürchtet hatte, konnte man in seiner Abwesenheit schwerlich mehr als vier der Staatsfeinde erledigen; mehr wäre zu gewagt gewesen. Auch sonst war Norban mit der Liste des Kaisers nicht ganz einverstanden, und er beharrte stur darauf, daß man die Erledigung auch eines zweiten Senators, der auf der Liste stand, noch hinausschiebe. Schließlich mußte der Kaiser zwei Namen von seiner Fünfmännerliste streichen, dafür aber konzedierte ihm Norban einen neuen Namen, so daß schließlich vier Namen blieben. Diesen vier Namen dann konnte Domitian endlich den Buchstaben M beifügen.
      Es war aber dieses verhängnisvolle M der Anfangsbuchstabe des Namens Messalin, und dieser Messalin war der dunkelste Mann der Stadt Rom. Da er, ein Verwandter des Dichters Catull, einem der ältesten Geschlechter entstammte, hatte jedermann erwartet, er
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