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Josef und Li: Roman (German Edition)

Josef und Li: Roman (German Edition)

Titel: Josef und Li: Roman (German Edition)
Autoren: Anna Vovsova
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ähnlich wie der dicke Mann auf dem Bild – und fügte hinzu, als ob sie gerade etwas furchtbar Wichtiges entdeckt hätte und Josef damit auf der Stelle betrauen müsste: »Wusstest du, dass das Leben ein Ozean ist, auf dem die Wellen immerzu auf- und absteigen? Auch wenn es aussieht, dass sie sich immer
vorwärtsbewegen, so bewegt sich der Ozean überhaupt nicht!«
    »Hm, gut möglich«, sagte Josef, der jetzt überhaupt keinen Kopf für irgendwelche Wellen hatte, »der Ozean bewegt sich nicht, aber du solltest dich einmal bewegen.« Und er reichte Marta die Einladung.
    »Ein Gartenfest? Jetzt?«, wunderte sich Marta, nachdem sie die Einladung durchgelesen hatte. »Kommen Saschenka und dein Papa auch?«
    »Nein. Die nicht … das wäre nichts für sie … es, es ist mehr für jüngere Leute!«, stotterte Josef und Marta sagte: »Wenn das so ist, dann komme ich auch.« Sie erhob sich und setzte gleich die Mütze auf.
    Josef hatte mit Li abgesprochen, dass er Marta um sechs in den Garten bringen würde. Aber jetzt war es erst fünf vor halb, und so lud er sie in die Lustige Teh Cann ein. Josef bekam dort großen Rabatt – man konnte sagen, sehr großen Rabatt – , so groß, dass er dort gar nichts bezahlen musste. Aber er machte nur in den allerseltensten Fällen davon Gebrauch. Wie zum Beispiel im Fall, als Máchal dem Hungertod nahe war, was wiederum nicht so selten war. Oder als Frau Kličková wieder einmal ein wichtiges Möbelstück bezog und dabei völlig das Zeitgefühl verlor.
    »Eine Limo und ein tschechische Tee?«, fragte Frau Nguyen und lächelte Josef strahlend an. Seitdem Li wieder gesund war, strahlte Frau Nguyen fortwährend beim Lächeln, aber am strahlendsten lächelte sie Josef an.
    »Nein, ich nehme bitte einen vietnamesischen Tee«, sagte Marta und das war ein gutes Zeichen.
    Josef hatte sich eigentlich noch nie so ganz alleine mit Marta unterhalten. Er erzählte ihr von den Tigerkrallen, davon, wie sich die Jungs mit Helena gegen ihn verschworen hatten – von der aufgelösten Verlobung erzählte er aus taktischen Gründen lieber nichts – und davon, wie Li krank war und er sich mit den Jungs wieder versöhnte. Danach machten sie sich auf den Weg.
    »Weißt du, ich habe ihnen verziehen«, sagte Josef und blickte Marta forschend an, ob klar war, worauf diese Aussage abzielte.
    »Ich weiß«, sagte Marta und es schien, als würde sie begreifen.
    »Die Mama hat dem Papa auch verziehen«, fügte Josef hinzu, doch da waren sie schon vor der Tür des verlassenen Gartens angekommen.
    »Du kannst dir sicher vorstellen, warum ich dich hierhergebracht hab«, flüsterte er, bevor er die Klinke drückte.
    »Ich glaub schon …«, sagte Marta leise. Und dann wurde sie vom weichen Licht der Kerzen und Lampenschirme empfangen.
    Es kam aus der Gartenlaube, wo auf Marta der nervöse, herausgeputzte, ein wenig geschnittene und verschnittene und in allen Farben leuchtende Tuong wartete. Li hatte ihm mit Wasserfarben grüne, gelbe, blaue und violette Streifen ins Haar gemalt, genauso wie neulich bei Marta. Er sah so zerknirscht und verliebt aus, dass Marta sich durch nichts auf der Welt hätte aufhalten lassen und ihm entgegenlief. Und Tuong lief auch auf sie zu.
    Josef betrachtete alles aus sicherer Entfernung von der Mauer aus, auf der auch Li saß.
    »Na mach schon, Tuong!«, flüsterte sie und fing an, ihm halblaut einzusagen: »Tausendschönchen krautiges, Hundertschönchen blättriges …« Als ob Tuong dies auf die Entfernung hätte hören können! Aber anscheinend konnte er sie hören. Denn als er nur noch einen Millimeter von Marta entfernt war, sagte er alles genau so, wie es ihm Li aus einem tschechischen Lehrbuch der Pflanzenkunde vorlesend eingetrichtert hatte: »Tausendschönchen krautiges, Hundertschönchen blättriges!«
    »Ritterspornchen harziges, Sonnenäuglein mohniges …«, fuhr Li fort, die Pflanzennamen einzusagen, von denen sie dachte, dass sie sich Verliebte in Tschechien zuflüstern. Und er wiederholte alles. Marta starrte ihn fassungslos an, wie einen Verrückten. Aber Tuong zwinkerte ihr unauffällig zu und fuhr nach Lis Instruktionen fort: »Brennnesslein beißendes …«
    Marta wollte schon in Lachen ausbrechen, doch Tuong hielt ihr die Hand auf den Mund und wisperte: »Lach bitte nicht! Li würde mir das nie verzeihen!«
    »Ich lach doch nicht«, flüsterte Marta zurück und lachte tatsächlich nicht, stattdessen gab sie Tuong einen Kuss.
    Und dann sprang Josef mit Li von der
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