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Josef und Li: Roman (German Edition)

Josef und Li: Roman (German Edition)

Titel: Josef und Li: Roman (German Edition)
Autoren: Anna Vovsova
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Finger kam – eine Flasche Mineralwasser und einen Mixer. Sie hatte keine bessere Waffe in der Küche gefunden, also bis auf die Messer, die allesamt so stumpf waren, dass man mit ihnen nicht einmal eine Scheibe weichen Fleisches abschneiden konnte, und machte sich auf Zehenspitzen auf den Weg in Helenas Zimmer.
    Die Balkontür im Wohnzimmer war verschlossen und die Gardine, die darüber hing, bewegte sich keinen Zentimeter. Der Staub in der Luft wirbelte nicht besonders verdächtig herum und auch die Spinnennetzfäden an der Decke zitterten überhaupt nicht.
    In Helenas Zimmer deutete auch nichts auf einen Eindringling hin. Alle Plüschtiere von Helena saßen artig auf dem Bett und Frau Bajerová dachte schon, sie hätte Halluzinationen in den Ohren gehabt, und sie schob es auf ihre Überarbeitung, dass sie sich bei solchen Kleinigkeiten schon aufregte. Aber dann kam es aus dem Schrank gleich neben ihr: »Hallooo, Hosenscheißerin!« Frau Bajerová sprang erschrocken zur Seite und blieb wie zur Salzsäule erstarrt stehen.
    »Hooosenscheiiißer …«, krächzte es wieder aus dem
Schrank, als ob jemand Frau Bajerová auf den Arm nehmen wollte.
    Erst eine gute Weile später nahm Frau Bajerová all ihren Mut zusammen und öffnete äußerst vorsichtig den Schrank. Unmittelbar darauf flog ihr etwas leuchtend Gelbes und Grünes gegen das Gesicht.
    Frau Bajerová schrie wie am Spieß und kam ins Wanken. Dann aber glotzte sie auf die Lampe und hoffte, dass sie alles nur träumen würde. Aber sie träumte nicht.
    Auf der Lampe saß ein Papagei. Und der war keineswegs aus Plüsch! Er wirkte etwas fahrig, brummte etwas Unverständliches und dann fiel etwas Winziges und Braunes Frau Bajerová auf den Kopf.
    »Hooosenscheißeriiin!«, krächzte er überdeutlich und hatte jetzt eigentlich Recht.
    Helena kam in dem Augenblick nach Hause, als Frau Bajerová gerade das Fenster öffnete. »Mama, bitte lass ihn nicht wegfliegen!«, rief Helena so flehentlich, dass Frau Bajerová das Fenster wieder zumachte. Und dann schrie Frau Bajerová Helena an, sie hätte ihr weiß Gott wie oft gesagt, dass sie keine Tiere im Haus haben wolle, genauso gut könne sie gegen die Wand reden. Doch statt gegen die Wand zu reden, an welcher der Papagei umso schneller Kreise flog, warf sie alles Mögliche dagegen: ihre Schuhe, Helenas Schulbücher, Turnschuhe, überhaupt alles, was sie er wischen konnte.
    » Krrrabbenschere, frrreche Crrrevette, Haifischzacken, lumpige Lappen «, fluchte der Papagei auf Vietnamesisch, sodass ihn weder Frau Bajerová noch Helena verstehen konnten, und flog im Zickzack durch den Hagel fliegender Sachen.
    »Fang ihn sofort ein!«, kreischte Frau Bajerová. Sie war am Rande des Nervenzusammenbruchs und hatte nichts mehr zur Hand, womit sie nach ihm werfen konnte. Verglichen mit dieser Verwüstung waren all ihre Treffen auch mit den störrischsten Klienten noch sehr angenehm.
    Helena schaffte es schließlich, Ping Nguyen einzufangen. Es reichte, dass Frau Bajerová zu kreischen aufhörte, und der Papagei setzte sich ganz ruhig auf Helenas ausgestreckten Arm. Und er ließ sich von ihr streicheln! Helena flüsterte ihm etwas ins Ohr – du meine Güte, haben Papageien überhaupt Ohren? – und dann sagte er wiederum etwas zu ihr und Frau Bajerová beobachtete dies mit wachsender Verlegenheit. Noch nie zuvor hatte sie ihre Tochter so lieb und liebenswürdig gegenüber jemandem erlebt. Wo kam auf einmal so viel Herzlichkeit her?
    Helena schob den Papagei vorsichtig in den Käfig zurück, schüttete ihm eine Handvoll Erdnüsse, die von Weihnachten übrig geblieben waren, in den Futternapf und zog den Mantel an.
    »Wohin gehst du?«, fragte Frau Bajerová, aber Helena antwortete nicht, nur dicke Tränen liefen ihr übers Gesicht.
    Und dann passierte etwas, womit Helena überhaupt nicht gerechnet hatte und was sie sich nicht im Traum oder in ihren lebhaftesten Phantasien hatte vorstellen können.
    »Na gut, du kannst ihn behalten«, sagte Frau Bajerová sanft und auch ein wenig schuldbewusst, als ob ihr plötzlich klargeworden wäre, dass sie zu hart und unnachgiebig gewesen war und ihr kleines Mädchen zum Glücklichsein vielleicht doch ein lebendiges Tier brauchte. Doch Helena bescherte
ihr eine weitere Überraschung. Statt sich Frau Bajerová an den Hals zu werfen und vor Freude zu jauchzen, schüttelte sie unglücklich den Kopf und sagte: »Aber ich kann ihn nicht behalten! Ich hab ihn gestohlen!«
    Josef beschloss, dass er es
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