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Jones, Diana Wynne

Jones, Diana Wynne

Titel: Jones, Diana Wynne
Autoren: 03 Der Fluss der Seelen
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ziemlich widerwärtig.
    Hern schlich sich heimlich davon und betete zu unseren Unvergänglichen, die in ihren drei Herdnischen standen. Er flehte sie an, ihn wehrtüchtig zu machen, und schwor, das Land von den Heiden zu befreien, wenn sie ihm seinen Wunsch erfüllten. Das weiß ich, weil ich ihn belauschte. Ich hatte ebenfalls beten wollen. Ich muss sagen, dass ich von Hern überrascht war. Normalerweise hat er für unsere Unvergänglichen nur Hohn übrig, da sie nicht real und verständig sind wie alles andere im Leben. Dass er zu ihnen betete, zeigt, wie sehr er sich wünschte, in den Krieg zu ziehen.
    Nachdem Hern sein Gebet beendet hatte und gegangen war, kniete ich nieder und beschwor unsere Unvergänglichen, mich in einen Jungen zu verwandeln, damit ich gegen die Heiden kämpfen könnte. Ich bin so groß wie Hern und recht drahtig, aber trotzdem besiegt er mich immer, wenn wir uns prügeln. Robin seufzt dann und nennt mich knabenhaft, aber nur, weil mein Haar stets zerzaust ist. Damit die Unvergänglichen mich zu einem Jungen machten, gelobte ich wie Hern, das Land von den Heiden zu befreien. Aber sie gaben mir keine Antwort, und ich bin immer noch ein Mädchen.
    Schließlich mussten auch mein Vater, Gull und Hern vor die Männer des Königs treten. Meinen Vater nahmen sie sofort, und Hern wiesen sie sofort ab, weil er zu jung und zu mager sei. Gull hingegen ist schon immer groß und kräftig für sein Alter gewesen. Die Boten sagten zu Gull, er könne in den Krieg ziehen, wenn er es selbst wolle und mein Vater sich einverstanden erkläre, aber zwingen würden sie ihn nicht. So gerecht waren sie. Gull wollte natürlich kämpfen, doch mein Vater, der nun wusste, dass die Entscheidung bei ihm lag, wollte es eigentlich nicht erlauben. Vater musste aber an den alten Onkel Falk denken und bot Gull einen Handel an: Gull durfte mitkommen, wenn er versprach, Onkel Falk im Auge zu behalten. Gull kam in bester Stimmung wieder und prahlte den ganzen Abend lang. Ich sagte ja schon, dass er damals ziemlich widerwärtig war. Hern hingegen kämpfte mit den Tränen, als er ins Haus zurückkehrte.
    Am Morgen zogen die Boten zum nächsten Dorf weiter, um dort die kampffähigen Männer zu rekrutieren. Den Männern von Iglingen gestanden sie eine Woche zu, in der sie ihre Angelegenheiten ordnen durften. In dieser Woche woben, buken, hämmerten und flickten wir, als ginge es um unser Leben, damit Gull und mein Vater bereit waren. Hern blies die ganze Zeit über Trübsal und steckte Entchen mit seiner schlechten Laune an. Robin behauptet, ich sei genauso schlimm gewesen, aber das streite ich ab. Ich tröstete mich damit, dass ich mir einredete, ich wäre eine überaus grimmige, kriegerische Persönlichkeit namens Tanaqui, die Geißel der Heiden. Ich stellte mir vor, wie die Boten nach Iglingen zurückkehrten, weil sie von dieser Tanaqui gehört hatten. In meinen Wunschträumen befahlen sie Zwitt, Tanaqui zu holen, auf dass sie das Land in den Krieg führte. Ich erzählte unseren Unvergänglichen davon, damit es glaubhafter wirkte. Heute wünsche ich mir, ich hätte darauf verzichtet. Manchmal glaube ich nämlich, dass nur meine Lüge die große Not über uns gebracht hat. Man sollte vor den Unvergänglichen nichts Unwahres sprechen.
    Robin sagt, dass wir, also Hern, Entchen und ich, jedes Mal noch unerträglicher wurden, wenn Tante Zara vorbeischaute. Sie kam nämlich dauernd in unser Haus und bedankte sich immer wieder bei meinem Vater, weil er Gull dazu gebracht hatte, sich um Onkel Falk zu kümmern. Unablässig versprach sie ihm, dafür bei uns nach dem Rechten zu sehen, solange wir allein waren. Leere Worte. Sie hat kein einziges Mal bei uns vorbeigeschaut. Mein Vater aber glaubte ihr, denke ich, und das nahm ihm eine schwere Last von der Seele.
    Nach einer Woche kamen die Boten wieder zurück, und diesmal hatten sie mehrere hundert Männer bei sich. Am letzten Abend vor ihrem Aufbruch flehten mein Vater und Gull die Unvergänglichen um ihren Schutz an.
    Robin sagte besorgt: »Ich wäre sehr froh, wenn ihr einen von ihnen mitnehmen würdet.«
    »Sie gehören an diesen Herd«, entgegnete mein Vater, und das war sein letztes Wort. »Hern«, sagte er. »Komm her.«
    Hern wollte zuerst nicht gehorchen, doch mein Vater zerrte ihn vor die Unvergänglichen. »Nun leg deine Hand auf den Einen«, sagte er, »und schwöre, dass du bei Entchen und den Mädchen bleibst und nicht versuchst, uns ins Feld zu folgen.«
    Hern lief ganz rot an,
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