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John Grisham

John Grisham

Titel: John Grisham
Autoren: Das Gesettz
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an ihm vorbei und ging die Treppe hinunter zum Gehsteig.
    »Nein, Emporia. Bitte nicht. Ich habe gar keinen Durst mehr.«
    »Ich glaube, man schreibt es mit >q<, stimmt's?« Sie stand auf der Straße, mit einem Paar alter Turnschuhe an den Füßen, und marschierte dann in einem beeindruckenden Tempo los.
    »Mit >q<«, rief Adrian ihr nach.
    »Wusste ich's doch«, antwortete sie zwei Häuser weiter.
    Häufig waren die Gerüchte falsch, reine Erfindungen, von jenen in die Welt gesetzt, denen es entweder Spaß machte, zuzusehen, wie ihre kleinen Lügen durch die Stadt marschierten, oder die Gefallen daran fanden, Ärger zu verursachen.
    Die neueste Lüge entstand im ersten Stock des Gerichtsgebäudes, in der Geschäftsstelle, wo zu jeder Tageszeit Anwälte kamen und gingen. Als sich eine Gruppe von Anwälten zusammensetzte, um einige Titel durchzusprechen, ging es sofort mit dem Klatsch los. Da der Familie Keane zurzeit mehr Aufmerksamkeit gewidmet wurde als sonst, war es selbstverständlich, dass die Anwälte aktiv an der Diskussion teilnahmen. Und noch selbstverständlicher, dass einer von ihnen Ärger machte.
    Obwohl mehrere Versionen in Umlauf waren, besagte das Gerücht Folgendes: Adrian hatte mehr Geld, als die meisten Leute vermuteten, da sein Großvater vor seiner Geburt ein paar komplizierte Treuhandfonds eingerichtet hatte, und an seinem vierzigsten Geburtstag würde Adrian eine beeindruckende Summe erben. Da er seinen vierzigsten Geburtstag nicht erleben würde, konnte er die Erbschaft in seinem Testament an einen von ihm zu bestimmenden Begünstigten übertragen. Und das Beste daran war, dass ein unbekannter Anwalt von Adrian beauftragt worden war, sein Testament aufzusetzen, mit Anweisungen darüber, wer diese geheimnisvolle Erbschaft erhalten sollte, und zwar a) Emporia Nester, b) eine neu gegründete Interessengruppe für die Rechte von Schwulen, die drüben in Tupelo ihre Tätigkeit aufgenommen hatte, c) ein Liebhaber in San Francisco oder d) eine Stiftung, die College-Stipendien an schwarze Studenten vergab. Sucht es euch aus.
    Da das Gerücht so komplex war, wurde es von seinem eigenen Gewicht ausgebremst und gewann nur wenig an Fahrt. Wenn die Leute zum Beispiel darüber tratschten, wer mit wessen Frau eine Affäre hatte, war das ein ziemlich überschaubares Thema und leicht zu verstehen. Doch die meisten hatten keine Erfahrung mit generationenübergreifenden Treuhandfonds und Erbschaften und anderen juristischen Konstruktionen, und die Details wurden noch mehr durcheinandergebracht als sonst. Nachdem Dell das Gerücht im Coffeeshop verkündet hatte, erwartete den jungen Keane ein riesiges Vermögen, von dem Emporia das meiste bekommen würde, und seine Familie drohte, vor Gericht zu gehen.
    Nur beim Friseur fragte eine Stimme der Vernunft das Naheliegende: »Wenn er tatsächlich so viel Geld hat, warum geht er dann zum Sterben in eine alte Hütte drüben in Lowtown?«
    Daraufhin begann eine Diskussion darüber, wie viel Geld er tatsächlich hatte. Die meisten waren der Meinung, dass er kaum etwas besaß, aber auf die Erbschaft aus den Treuhandfonds zählte. Eine tapfere Seele machte sich über die anderen lustig und behauptete, das sei alles Unsinn, schließlich wisse man genau, dass der ganze Clan der Keanes »arm wie eine Kirchenmaus« sei.
    »Seht euch doch die alte Bruchbude an«, sagte der Mann. »Sie sind zu arm, um das Haus mit richtiger Farbe zu streichen, und zu stolz, um Kalk dafür zu nehmen.«
    Ende Juni erreichte die Hitze einen neuen Höhepunkt, und Adrian blieb die meiste Zeit über in seinem Zimmer in der Nähe des lärmenden Klimageräts, das kaum etwas nützte. Immer öfter bekam er Fieberanfälle, und die schwere, drückende Luft auf der Veranda tat ihm nicht gut. In seinem Zimmer trug er nur seine Unterwäsche, die häufig nass vor Schweiß war. Er las Faulkner und schrieb Dutzende von Briefen an Freunde aus seinem früheren Leben. Und er schlief, immer mal wieder, den ganzen Tag lang. Alle drei Tage kam eine Krankenschwester vorbei, um ihn kurz zu untersuchen und Nachschub an Medikamenten zu bringen, die er inzwischen aber alle die Toilette hinunterspülte.
    Emporia gab sich viel Mühe, etwas Fett auf seine Rippen zu bekommen, doch er hatte keinen Appetit. Da sie nie für eine Familie gekocht hatte, verfügte sie nur über wenig Erfahrung in der Küche. In ihrem kleinen Garten wuchsen genug Tomaten, Kürbisse, Zucchini, Butterbohnen und Melonen, um sie das ganze Jahr über zu
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