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John Grisham

John Grisham

Titel: John Grisham
Autoren: Das Gesettz
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erklärte sich widerstrebend bereit, das Krankenhaus aufzusuchen, um Erkundigungen einzuholen. Sein erster Anruf brachte die Nachricht, dass der junge Mann tatsächlich wegen unterschiedlicher Verletzungen operiert werde, sein Zustand aber offenbar stabil sei. Er habe allerdings viel Blut verloren. Beim zweiten Anruf korrigierte der Cousin ein paar Details zum Unfall. Er habe mit dem Vorarbeiter gesprochen. Bailey sei verletzt worden, als ein Bulldozer das Gerüst gerammt und zum Einstürzen gebracht habe. Dabei sei der arme Junge fünf Meter tief in einen Graben gefallen. Der Bautrupp arbeite an einem sechsstöckigen Bürogebäude in Memphis, Bailey sei dort als Maurergehilfe tätig. Das Krankenhaus lasse noch mindestens vierundzwanzig Stunden keine Besuche zu, aber Blutspenden würden benötigt.
    Bailey ein Maurergehilfe? Seine Mutter hatte sich damit gebrüstet, dass er rasch befördert worden und inzwischen stellvertretender Vorarbeiter sei. Doch unter den gegebenen Umständen kam es niemandem in den Sinn, sie auf diese Unstimmigkeit anzusprechen.
    Am Abend stand ein Mann im Anzug vor der Tür und stellte sich als eine Art Ermittler vor. Er wurde an einen Onkel verwiesen, den jüngsten Bruder von Baileys Mutter, und bei einem Gespräch unter vier Augen im Garten zückte er die Visitenkarte eines Anwaltsbüros in Clanton. »Die beste Kanzlei im ganzen County«, sagte er. »Wir arbeiten bereits an dem Fall.«
    Der Onkel war beeindruckt. Er versprach, einen weiten Bogen um andere Anwälte zu machen - »die versuchen doch nur, die Leute abzuzocken« - und Schadensregulierer zum Teufel zu schicken, falls sich welche meldeten.
    Irgendwann kam die Idee auf, nach Memphis zu fahren. Es waren nur zwei Autostunden bis dorthin, aber es hätten ebenso gut fünf sein können. Wer in Box Hill davon sprach, in die Stadt zu fahren, meinte damit Tupelo mit seinen fünfzigtausend Einwohnern. Memphis lag in einem anderen Bundesstaat, in einer anderen Welt, außerdem grassierte dort die Kriminalität. Die Mordrate war ebenso hoch wie in Detroit. Man sah sich das Gemetzel jeden Abend auf Channel 5 an.
    Der Zustand von Baileys Mutter verschlechterte sich, sie war auf keinen Fall in der Lage zu fahren, geschweige denn Blut zu spenden. Baileys Schwester lebte in Clanton, aber sie konnte ihre Kinder nicht allein lassen. Morgen war Freitag, ein Arbeitstag, und man war sich einig, dass eine Fahrt nach Memphis und zurück, mit Blutspende und allem, viele Stunden dauern würde. Wann die Spender zurückkämen, ließ sich also nicht abschätzen.
    Durch einen weiteren Anruf aus Memphis erfuhr man, dass der Junge nun operiert sei, sich ans Leben klammere und dringend Blut brauche. Als diese Meldung die Männer erreichte, die draußen in der Einfahrt standen, klang sie, als würde der arme Bailey jeden Augenblick das Zeitl iche segnen, wenn sich seine Lieben nicht sofort auf den Weg ins Krankenhaus machten, um ihre Venen für ihn zu öffnen.
    Rasch fand sich ein Held. Sein Name war Wayne Agnor, ein angeblich enger Freund von Bailey, der von allen Aggie genannt wurde. Er betrieb mit seinem Vater eine Autowerkstatt und konnte sich seine Arbeitszeit frei einteilen, so dass ein kurzer Trip nach Memphis kein Problem für ihn wäre. Außerdem besaß er einen Pick-up, ein aktuelles Dodge-Modell, und behauptete, Memphis wie seine Westentasche zu kennen.
    »Ich kann sofort los«, erklärte Aggie den Männern selbstbewusst, und im Haus verbreitete sich die Kunde, dass die Fahrt tatsächlich stattfinden würde. Eine der Frauen dämpfte die Erwartung, indem sie darauf hinwies, dass mehrere Freiwillige gebraucht würden, denn pro Spender würde immer nur ein halber Liter Blut abgenommen. »Man kann nicht eine Gallone auf einmal spenden«, sagte sie. Die wenigsten hatten jemals Blut gespendet, und der Gedanke an Kanülen und Schläuche machte vielen Angst. In Haus und Vorgarten wurde es still. Besorgte Nachbarn, die noch Augenblicke zuvor Baileys beste Freunde gewesen waren, suchten auf einmal die Distanz.
    »Ich fahre mit«, sagte schließlich ein junger Mann, woraufhin er mit Glückwünschen überhäuft wurde. Sein Name war Calvin Marr, und auch er konnte sich seine Zeit frei einteilen, weil er gerade seinen Job in der Schuhfabrik in Clanton verloren hatte und derzeit arbeitslos war. Er hatte panische Angst vor Spritzen, aber die Vorstellung, endlich einmal nach Memphis zu kommen, war verlockend. Es sei ihm eine Ehre, Blut zu spenden, erklärte er.
    Aggie
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