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JörgIsring-UnterMörd

Titel: JörgIsring-UnterMörd
Autoren: Unbekannt
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befriedigt verfolgt, sie erschien ihm wie ein Vorgriff auf
bessere Zeiten. Der Berg aus Zweifeln, den er mit sich herumschleppte, war
vorübergehend um ein paar Zentimeter geschrumpft. Das war mehr, als er erwartet
hatte.
    Vor der Tür des
Hofes trat Göring noch einmal an ihn heran. Er nahm Dahlerus' Hand in seine und
zwinkerte ihm spitzbübisch zu. »Ich hoffe, Sie sind zufrieden, mein lieber
Dahlerus. Wir sind einem friedlichen Miteinander in Europa heute ein ganzes
Stück nähergekommen. So, wie Sie es sich immer gewünscht haben. Ich werde dem
Führer alles berichten. Ihr Land kann stolz auf Sie sein. Ich wollte, es gäbe
mehr von Ihrer Sorte.«
    Göring war einen Schritt zurückgetreten, hatte sich zu den Männern
umgedreht, die vor dem Sönke-Nissen-Koog seine Abfahrt begleiteten und die
rechte Hand zum Hitlergruß erhoben. »Heil Hitler, meine Herren. Wir bleiben in
Verbindung.«
    Nach Görings
Abfahrt spürte Dahlerus, wie die Anstrengungen des Tages seine Glieder
lähmten. Er war erleichtert und erschöpft zugleich. Am liebsten hätte er sich
sofort zurückgezogen, aber daran war nicht zu denken.
    Die Männer verspürten den Wunsch zu reden, die Ereignisse des Tages zu
besprechen, sich selbst zu beglückwünschen. Dahlerus wollte niemanden
enttäuschen und hielt durch. Die Küche servierte ein spätes Dinner, alle
plauderten durcheinander und prosteten sich zu. Weil jeder seine Eindrücke
noch schriftlich zusammenfassen wollte, löste sich die Runde zu später Stunde
auf. Die Gäste zogen sich in ihre Zimmer zurück.
    Erst da fiel Dahlerus auf, dass er Elisabeth länger nicht mehr gesehen
hatte. Sie hatte das Feld frühzeitig den Männern überlassen und sich
klammheimlich ins Bett geschlichen. Er konnte es ihr nicht verdenken. Es war
laut und feucht geworden, die Engländer verstanden sich aufs Feiern.
    Leise schlich
sich Dahlerus in das Schlafzimmer, das seine Schwägerin für ihn und seine Frau
vorbereitet hatte. Elisabeth schlief bereits, wie er es vermutet hatte.
Dahlerus ging ans Fenster und schaute hinaus. Der Mond tauchte die Heidelandschaft
in ein fahles Licht. Gespenstisch, dachte Dahlerus, wie ein Totenhemd, das über
dem Land liegt. Dabei hatten sie doch heute alles getan, um dem Tod so wenig
wie möglich Arbeit zu geben. Trotzdem haderte er mit sich, hörte die mahnenden
Stimmen in seinem Kopf, die nie verstummen wollten. Es war noch ein weiter Weg,
so viel war klar. Ob ihnen die Zeit blieb, ihre Sache zu Ende zu bringen? Er
spürte den Krieg am Horizont heraufziehen, und er wusste nicht, ob sie stark
genug sein würden, um ihn zurückzudrängen.
    »Birger.«
    Dahlerus drehte
sich um. Von ihm unbemerkt war Elisabeth aus dem Bett gestiegen und zu ihm ans
Fenster gekommen. Sie trat auf ihn zu, nahm ihn in ihre Arme. Er legte den Kopf
auf ihre Schulter, spürte die Wärme ihres Körpers. Etwas klumpte sich in ihm
zusammen, ein diffuses Gefühl der Angst, das seine Eingeweide schmerzhaft
umklammerte.
    Mein Gott, betete er, lass diesen Krieg an uns vorüberziehen.
    Elisabeth drückte
ihn fest an sich. Es wirkte. Dahlerus ließ die Tränen einfach laufen.
    »Ist ja schon gut«, sagte sie, »ich liebe dich.«
     
    2.
    London
    4. August Paddington, Vormittag
    Fassungslos starrte Krauss auf die Nachricht. Unmöglich. Christa musste
sich täuschen. Sie hatte jemanden verwechselt. Nach all den Jahren ein
verzeihlicher Irrtum. Zu übermächtig waren die Schatten der Vergangenheit.
Verdunkelten die Seele, wenn Nacht für Nacht der Schrecken heraufstieg. Oft
ließen sich die Gespenster auch am Morgen nicht abschütteln, verfolgten einen
den ganzen Tag, verwandelten sich in reale Gesichter, begegneten einem an
jeder Ecke, in jedem unbekannten Passanten, der den Weg kreuzte.
    Krauss hatte selbst erlebt, wie er in der Menge einen dieser Mörder zu
erkennen meinte, ihm hinterherhetzte, ihn einholte. Und in ein fremdes,
verdutztes Antlitz blickte. So wird es Christa auch gegangen sein, dachte er.
Vielleicht hatte es geregnet, oder der Nebel hatte einem Unbeteiligten
diabolische Züge verliehen. Andererseits war Christa alles andere als paranoid.
Ihr gesunder Menschenverstand hatte ihn stets beeindruckt. Sie ließ sich nicht
leicht von Gefühlen überwältigen. Er vertraute auf ihr Urteil, und er vertraute
wenigen.
    Krauss zerknüllte den Zettel. Er hatte gehofft, den Namen nie mehr hören zu
müssen. Aber die Nachricht war so kurz wie unmissverständlich: »Bensler ist in
London.«
    Krauss schob den losen
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