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JörgIsring-UnterMörd

Titel: JörgIsring-UnterMörd
Autoren: Unbekannt
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solchen
Augenblicken unfassbar. In den Jahren seit der Machtergreifung hatte sich
Hitlers zweiter Mann den Ruf erworben, für seine Ziele über Leichen zu gehen.
In der sogenannten »Nacht der langen Messer« hatte Göring SA-Chef Ernst Röhm
aus dem Weg räumen lassen und mit ihm gleich Dutzende ihm und Hitler unbequeme
Amtsträger. Hinterher berief sich die Führungsriege auf Staatsnotwehr: Man
habe einem Putsch von Röhm und seinem SA-Heer vorbeugen wollen. Im Volk
kursierte eine andere Lesart: »Reichsmordwoche« hießen dort die blutigen Tage
um den 30. Juni 1934. Das Gemetzel hatte Göring nicht geschadet, die Menschen
liebten ihn nach wie vor. Er benahm sich wie einer von ihnen, steckte voller
Widersprüche, hatte Stärken und Schwächen und machte keinen Hehl daraus. Man war
bereit, ihm viel zu verzeihen.
    Gerade jetzt schaute Göring Dahlerus an wie ein Zirkusdirektor, der eine
tolle Überraschung vorbereitet hat, begierig, sie vorzuführen. Der Schwede
nickte höflich. »Na gut, Sie haben mich überredet, ein Kaffee kann nicht
schaden.«
    »Da diskutiert es sich auch gleich viel gemütlicher. Kekse gibt's übrigens
auch.«
    Göring wies auf den kleinen Tisch vor Dahlerus. Das
Gebäck war bereits reichlich dezimiert. Göring griff nach einem Schokoröllchen
und schob es sich komplett in den Mund. Es bedurfte keiner großen Phantasie, um
sich vorzustellen, wer sich an den Leckereien gütlich getan hatte.
    Göring kaute
zufrieden. Mit vollem Mund fing er an zu sprechen. »Die Lage, mein lieber
Dahlerus, ist verfahren. Die Deutschen in Polen sehen sich Tag für Tag
unerträglichen Diffamierungen ausgesetzt. Immer wieder gibt es Übergriffe auf
deutsche Bürger, auf deutsche Geschäfte. Das ist untragbar, absolut untragbar.
Danzig und Oberschlesien dürfen nicht der polnischen Willkür ausgeliefert sein.
Das ist gegen alle Absprachen. Alles, was diese in Frage stellt, können wir
nicht dulden. Wir brauchen den Anschluss der deutschen Gebiete auf polnischem
Boden, um wieder Ruhe ins Reich zu bringen. Wie Sie wissen, sehen die Polen das
leider anders, Herr Dahlerus. Dort ist man nicht zu Kompromissen bereit. Das
ist gefährlich. Oberschlesien gehört zum Großdeutschen Reich, das müssen die
Polen anerkennen. Wenn sie das nicht freiwillig tun - wonach es leider aussieht
-, werden wir sie dazu zwingen müssen. Damit wir uns recht verstehen: Mir
persönlich wäre eine diplomatische Lösung lieber.« Göring beugte sich nach
vorne. Dahlerus dachte, er wollte seinen Worten mehr Gewicht verleihen, aber er
griff nur nach einem weiteren Keks. »Ich habe mich immer für die Polen
eingesetzt, Dahlerus, das wissen Sie. Mich gegen meinen Führer gestellt, wenn
es sein musste. Machtworte gesprochen, die Beziehungen gepflegt. Zugunsten der
Polen, versteht sich. Aber auch meine Geduld ist mal am Ende. In Warschau muss
man endlich begreifen, dass die Nationalsozialisten das Deutsche Reich wieder
zur alten Blüte führen wollen. Was sage ich, müssen! Es ist der uns vom
Schicksal gegebene Auftrag. Und wir werden weder hadern noch verzagen. Das
haben wir bewiesen. Osterreich hat den Anschluss bereits vollzogen, auch das
Sudetenland ist zurück in deutscher Hand. Wie können wir da auf Oberschlesien
verzichten, Dahlerus? Menschen deutschen Blutes werden dort bedroht, geschlagen,
beleidigt. Das muss aufhören.«
    Dahlerus fragte sich, worauf diese Suada wohl hinauslief. Aber er zog es
vor, den Reichsfeldmarschall bei dessen politischem Rundumschlag nicht zu
unterbrechen.
    »Jetzt kommen Ihre englischen Freunde ins Spiel. Bei
jeder sich bietenden Gelegenheit betont Chamberlain, dass er seine polnischen
Verbündeten nicht alleine lassen will und im Falle eines aggressiven Aktes der
Deutschen gegen uns zu Felde ziehen wird. Ich muss sagen, ich verstehe das
nicht.«
    Körner und Bodenschatz schüttelten bestätigend leicht mit den Köpfen.
    Dahlerus bemerkte, dass die beiden Untergebenen die Rede ihres Chefs stets
unterstützend begleiteten. Widerspruch war gefährlich.
    »Ich mag die Engländer, sehr sogar. Auch der Führer schätzt England, das
englische Volk, dessen Wurzeln sich mit den deutschen Wurzeln ja so eng verästeln.
Aber beide begreifen wir die englische Haltung nicht. England muss an einem
starken Deutschland gelegen sein. Wir halten unsere schützende Hand über
Europa, indem wir ein gewaltiges Bollwerk gegen den Iwan aufbauen. Wer will
Stalin die Stirn bieten, wenn nicht ein wiedererstarktes Deutsches
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