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Jim

Jim

Titel: Jim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Lang
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und rechts streckte eine Pflaume ihren jungen Zweig stimmungsvoll über der Matratze aus. Mundt brachte mithilfe einer Trittleiter den naturweißen Baldachin an. Anna bezog die Matratze aus Kapok, der Pflanzendaune, und Baumwolle mit einem rosenroten Laken. Endlich war alles fertig. Anna sprang mit einem vergnügten Schrei in ihr neues, auf dem unebenen Boden etwas schief dastehendes Bett. Sie vergaß sofort alles um sich herum. Als Mundt sie ansprach, wandte sie nicht mal den Kopf nach ihm um. Er fackelte nicht lang und sprang ebenfalls auf die Matratze. Seine Jim-Furcht hatte sich offenbar gelegt. Die Bettbeschläge ächzten, und die verzinkten Füße bohrten sich in den weichen Boden. Mundts linke Seite berührte Annas rechte Seite. Sie lagen unbeweglich da. Anna hielt weiter die Augen geschlossen und ließ sich von den letzten Sonnenstrahlen das Gesicht wärmen. Ihre Züge warenentspannt, nur ihre Brust hob und senkte sich. Mundt brach nach einer Weile das Schweigen.
    «Du hast noch gar nichts zu meinem Bart gesagt.» Er strich ihn mit der Hand. «Ich frage mich, ob er nicht zu schütter ist.»
    «Zu was?»
    «Schütter. Dünn, nicht dicht genug.»
    Er warf sich auf die Seite, stützte den Kopf in die Hand und betrachtete sie.
    «Jims Fell wirkt auch nicht richtig dicht. Aber das kommt, weil die Haare so lang sind.»
    «Jetzt hast du mich beleidigt!», rief Mundt laut und erbost. Dann fing er an zu lachen. «Nein, du hast recht. Ich bin nur ein Affe, ein Affe …»
    Er begann zu zappeln und wie ein Schimpanse zu schreien. Anna knuffte ihn in die Seite. Auch sie kicherte. Sie ließ es zu, dass er ihr Gesicht streichelte. Nach einer Weile schob sie seine Hände weg.
    «Ich habe für Frank eine Wolldecke gekauft», sagte sie. «Es ist die gleiche, wie sie der Schweizer Alpenclub Schutz suchenden Wanderern und Bergsteigern zur Verfügung stellt.»
    «Großartig! Die Nächte sind schon sehr kalt.»
    «Aber er kann gar nicht draußen schlafen. Ein einziger Windstoß könnte ihn in die Hölle bringen.»
    «Warum kaufst du dann so ein Bett?»
    «Ich hab nicht drüber nachgedacht.»
    Sie verzog ein bisschen den Mund. Tatsächlich hatte sie beim Einkaufen das Handicap ihres Mannes vollkommenvergessen. Sie hatte nur an sich gedacht! Erst sein sichtlicher Schrecken, als sie ihm von dem Gartenbett erzählte, hatte sie daran erinnert, wie empfindlich er auf Umwelteinflüsse reagierte. Seit Jahren schliefen sie bei geschlossenem Fenster, weil er sich vor jedem Luftzug fürchtete. Sie wertete dieses Vergessen als gutes Zeichen. Es zeigte schließlich, dass sie Opitz gar nicht als krank wahrnahm.
    «Dir liegt nichts mehr an ihm», sagte Mundt.
    «Woher willst du das wissen?»
    «So was spürt man. Wäre es nicht Zeit, das auch anzuerkennen? Du kannst doch nicht aus Mitleid mit Frank zusammenbleiben.»
    Annas Augen wurden bei diesen Worten für einen Sekundenbruchteil schmal. Sie ließ sich Zeit mit der Antwort.
    «Er ist nie der Dichter geworden, der er sein wollte. Spricht er mit dir darüber? Ich glaube, dass nichts schlimmer für ihn ist.»
    «Er hat nicht das Zeug zum Schriftsteller. Auch journalistisch hat er sich nicht groß entwickelt. Es fehlt ihm einfach an Originalität. Am besten war er, wenn er sein Gift in kleinen scharfzüngigen Glossen verspritzte. Aber die wollte er nicht mehr schreiben, weil er sich zu Höherem berufen fühlte. Entschuldige meine Offenheit.»
    «Das klingt wie ein Nachruf.»
    Mundt schwieg. Anna hatte sich aufgesetzt, sie dachte über etwas nach.
    «Frank tut mir leid. Ich fühle sein Unglück.» Sie wirkte nachdenklich. «Es ist nicht leicht, mit jemandem zusammenzuleben, den man bedauert. Dazu kommt, dass er sich häufig wie ein Kotzbrocken benimmt. Früher war er anders. Da hatte er etwas Zuvorkommendes. Er wollte mich auf Händen tragen.»
    Sie schaute bekümmert. Der Klang ihrer Stimme betörte Mundt. Er betrachtete ihr von der Sonne beglänztes Profil, das im Abendlich rötlich leuchtende Haar. Er fühlte sich stark zu ihr hingezogen. Wieder berührte er sie zärtlich mit den Fingern.
    «Denkst du manchmal noch an Tarquinia?»
    «Ist das nicht schon zehn Jahre her?»
    «Nicht ganz sieben.»
    «Tarquinia fand ich schön und schrecklich zugleich.»
    «Anna!»
    «Was?»
    «Ich liebe dich.»
    «Spinn nicht.» Sie schubste ihn an der Schulter. «Bist du dir überhaupt im Klaren, was du da sagst?»
    Er hielt ihrem Blick stand.
    «Na gut, ich liebe dich nicht.»
    «Es reicht jetzt!»
    «Aber ich

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