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Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Titel: Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer
Autoren: Michael Ende
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anhielt.
    »Emma«, sagte Lukas leise und mit einer ganz unbekannten Stimme, »ich kann mich nicht von dir trennen. Nein, wir beide bleiben zusammen. Wo es auch immer sein mag, auf der Erde oder im Himmel - falls wir da überhaupt hinkommen.« Emma begriff zwar nichts von dem, was Lukas sagte. Aber sie hatte ihn sehr lieb, und sie konnte es einfach nicht aushalten, ihn so traurig zu sehen. Sie fing herzzerbrechend zu heulen an.
    Lukas gelang es nur mühsam, sie zu beruhigen. »Es ist wegen Jim Knopf, verstehst du?« sagte er begütigend. »Er wird bald ein ganzer Untertan sein, und dann ist hier für einen von uns kein Platz mehr. Und weil ein Untertan für ein Land wichtiger ist als eine dicke alte Lokomotive, hat der König entschieden, daß du weg mußt. Aber wenn du weg mußt, dann gehe ich mit, das ist doch klar. Was soll ich denn ohne dich anfangen?«
    Emma holte tief Luft und wollte eben wieder losheulen, als plötzlich eine helle Stimme fragte:
    »Was is’ los?«
    Es war Jim Knopf, der auf Lukas gewartet hatte und dabei schließlich im Kohlentender eingeschlafen war. Als Lukas angefangen hatte, mit Emma zu reden, war er aufgewacht und hatte, ohne es zu wollen, alles mit angehört.
    »Hallo, Jim!« rief Lukas überrascht. »Das war eigentlich nicht für dich bestimmt. Aber meinetwegen, warum sollst du’s nicht wissen? Ja, Emma und ich, wir beide gehen weg. Für immer.
    Es muß wohl sein.«
    »Wegen mir?« fragte Jim erschrocken.
    »Wenn man es bei Licht betrachtet«, sagte Lukas, »dann hat der König nicht so unrecht. Lummerland ist einfach zu klein für uns alle.«
    »Und wann wollt ihr fort?« stammelte Jim. »Am besten ist es, den Abschied nicht lange hinauszuziehen, wenn es schon einmal sein muß«, antwortete Lukas ernst. »Ich denke, wir fahren gleich heute nacht.« Jim überlegte eine Weile. Dann sagte er plötzlich entschlossen:
    »Ich fahr’mit.«
    »Aber Jim!« rief Lukas. »Das geht auf gar keinen Fall. Was würde Frau Waas dazu sagen? Sie würde es niemals erlauben.«
    »Am besten fragen wir sie erst gar nicht«, entgegnete Jim bestimmt. »Ich werd’ ihr einen Brief auf den Küchentisch legen, in dem ich ihr alles erkläre. Wenn sie weiß, daß ich mit dir gefahren bin, dann wird sie sich schon keine zu großen Sorgen machen.«
    »Das glaub’ ich aber doch«, sagte Lukas und machte ei n bedenkliches Gesicht. »Außerdem kannst du doch gar nicht schreiben.«
    »Ich werd’ eben einen Brief zeichnen«, erklärte Jim. Aber Lukas schüttelte ernst den Kopf. »Nein, mein Junge, ich kann dich nicht mitnehmen. Es ist sehr nett von dir, und ich würde es auch gerne tun. Aber es geht nicht. Du bist schließlich noch ein ziemlich kleiner Junge, und du würdest uns nur…« Er hielt inne, weil Jim ihm plötzlich sein Gesicht zuwandte, und dieses Gesicht war sehr entschlossen und sehr unglücklich.
    »Lukas«, sagte Jim leise, »warum redest du solche Sachen? Du würdest schon sehen, wie gut ihr mich gebrauchen könntet.«
    »Na ja«, antwortete Lukas ein wenig verlegen, »natürlich, du bist ja ein brauchbarer kleiner Bursche, und in manchen Lagen ist es sogar von Vorteil, wenn man klein ist. Das ist schon richtig …«
    Er zündete seine Pfeife an und paffte eine Weile schweigend vor sich hin. Er war schon nahe daran, zuzustimmen; aber er wollte den Jungen prüfen. Darum begann er wieder: »Denk doch mal nach, Jim! Emma soll ja gerade weg, damit du in Zukunft genügend Platz hast. Wenn du jetzt gehst, dann könnte Emma ja ruhig bleiben. Und ich auch.«
    »Nein«, sagte Jim mit trotzigem Gesicht, »ich werd’ doch meinen besten Freund nicht verlassen. Entweder wir bleiben alle drei hier, oder wir gehen alle drei weg. Hier bleiben können wir nicht. Dann gehn wir eben - alle drei.«
    Lukas lächelte.
    »Das ist wirklich nett von dir, alter Jim«, sagte er und legte seinem Freund die Hand auf die Schulter. »Ich fürchte nur, das wird dem König gar nicht recht sein. So hat er sich das sicher nicht vorgestellt.«
    »Das is’ mir gleich«, erklärte Jim. »Ich fahr’ jedenfalls mit dir.«
    Lukas überlegte wieder eine ganze Weile und hüllte sich in den Rauch seiner Pfeife. Das tat er immer, wenn er gerührt war. Er wollte nicht, daß jemand es sehen sollte, aber Jim kannte ihn.
    »Gut!« kam schließlich Lukas’ Stimme aus der Rauchwolke. »Ich erwarte dich also um Mitternacht hier.« »In Ordnung«, antwortete Jim.
    Sie gaben sich die Hand, und Jim war schon im Weggehen, als Lukas ihn noch einmal
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