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Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Titel: Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer
Autoren: Michael Ende
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nach vorne blickten.
    »So!« sagte Lukas, »jetzt stopf ich mir erst mal eine neue Pfeife, und dann wollen wir uns ein bißchen unterhalten.« Er stopfte sich seine Pfeife, zündete sie an, stieß ein paar Rauchkringel aus, und dann fingen sie an, sich zu unterhalten. Und nach kurzer Zeit waren sie beide wieder ganz vergnügt und lachten.
    So segelten sie hinaus auf das mondbeglänzte Meer.

Fünftes Kapitel
    in dem die Seereise beendet wird und Jim durchsichtige Bäume sieht

    Die Reise verlief ohne besondere Zwischenfälle. Zum Glück blieb das Wetter weiterhin freundlich. Eine leichte, anhaltende Brise schwellte Tag und Nacht das Segel und ließ die Emma gut vorwärts kommen.
    »Ich möcht’ nur wissen«, meinte Jim manchmal nachdenklich, »wo wir eigentlich hinfahren.«
    »Keine Ahnung«, erwiderte Lukas dann zuversichtlich. »Wir werden uns einfach überraschen lassen.« Einige Tage lang wurden sie von einem Schwärm fliegender Fische begleitet, die den beiden Freunden viel Vergnügen bereiteten. Fliegende Fische sind nämlich sehr fröhliche Leute. Sie schwirrten um Jims Kopf und spielten Haschen mit ihm. Er erwischte allerdings nie einen, weil sie unglaublich flink waren, aber vor Eifer plumpste er ein paarmal ins Wasser. Zum Glück konnte er gut schwimmen, das hatte er am Strand von Lummerland schon gelernt, als er noch ganz klein war. Wenn Lukas ihn dann herauszog und er tropfnaß auf dem Dach des Führerhäuschens stand, streckten alle fliegenden Fische ihre Köpfe aus dem Wasser und sperrten die Münder weit auf, als ob sie lachten. Hören konnte man natürlich nichts, weil Fische bekanntlich stumm sind.

    Sie verstanden sich ohne viel Worte…
    Wenn die Reisenden hungrig waren, dann fischten sie sich einfach ein paar Meerbirnen oder Seegurken von den hohen Korallenbäumen. Diese Bäume wachsen nämlich oft so hoch, daß sie vom Meeresgrund bis hinauf an die Wasseroberfläche reichen. Die Meeresfrüchte waren nahrhaft und vitaminreich und außerdem so saftig, daß die beiden Freunde niemals Durst zu leiden brauchten. (Das Meerwasser kann man ja nicht trinken, weil es ganz salzig schmeckt.)
    Tagsüber erzählten sie sich gegenseitig Geschichten, oder sie pfiffen Lieder oder spielten Mensch-ärgere-dich-nicht. Eine Schachtel mit Gesellschaftsspielen hatte Lukas nämlich vorsichtshalber mitgenommen, weil er schon damit gerechnet hatte, daß es eine ziemlich lange Fahrt werden würde.
    Nachts, wenn sie schlafen wollten, öffneten sie den Deckel des Tenders, der sonst immer geschlossen blieb, damit kein Wasser hineinspritzte, und schlüpften durch das Kohlen-Nachschub-Loch in das Führerhäuschen hinunter. Von innen zog Lukas den Tenderdeckel wieder sorgfältig zu. Dann wickelten sie sich in warme Decken und machten es sich bequem. Natürlich war es ziemlich eng in der Kajüte, aber auch sehr gemütlich, besonders wenn das Wasser von außen gegen die kalfaterten Türen gluckste und Emma wie eine große Wiege auf und nieder schaukelte.
    Eines Morgens - genauer gesagt am dritten Tag der vierten Woche ihrer Reise - wachte Jim sehr früh auf. Ihm war so, als habe er einen deutlichen Ruck gespürt.
    »Was is’ denn das?« dachte er. »Und warum schaukelt Emma nicht mehr, sondern steht ganz ruhig?«
    Da Lukas noch fest schlief, beschloß Jim, selbst nachzusehen.
    Vorsichtig, um seinen Freund nicht zu wecken, stand er auf, stellte sich auf die Zehen und guckte durch eines der Fenster hinaus.
    In der rosigen Morgendämmerung erblickte er eine Landschaft von wundervoller Schönheit und Zartheit. Etwas ähnlich Herrliches hatte er noch nie gesehen. Nicht einmal auf Abbildungen.
    »Nein«, sagte er sich nach einer Weile, »das is’ wahrscheinlich gar nicht Wirklichkeit. Bestimmt träum’ ich nur, daß ich hier steh’ und das alles seh’.«
    Und rasch legte er sich wieder hin und machte die Augen zu, um weiterzuträumen. Aber mit geschlossenen Augen sah er gar nichts mehr. Also konnte es wohl doch kein Traum sein. Er stand noch einmal auf und guckte hinaus, und da war die Landschaft wieder.
    Wunderbare Bäume und Blumen in den seltsamsten Farben und Formen gab es da draußen, aber sonderbarerweise schienen sie alle durchsichtig zu sein, durchsichtig wie buntes Glas. Vor dem Fenster, durch das Jim hinausblickte, stand ein sehr dicker, sehr alter Baum, so mächtig, daß drei Männer seinen Stamm nicht hätten umspannen können. Aber man konnte alles, was dahinter lag, durch ihn hindurchsehen, wie durch ein Aquarium.
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