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Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Titel: Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer
Autoren: Michael Ende
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Gipfeln wohnte. Er hieß Alfons der Viertel-vor-Zwölfte, weil er um Viertel vor zwölf geboren worden war. Er war ein ziemlich guter Herrscher. Jedenfalls konnte niemand etwas Nachteiliges von ihm sagen, weil man eigentlich überhaupt nichts von ihm sagen konnte. Meistens saß er mit seiner Krone auf dem Kopf in einem Schlafrock aus rotem Samt und mit schottisch karierten Pantoffeln an den Füßen in seinem Schloß und telefonierte. Zu diesem Zweck hatte er ein großes, goldenes Telefon.
    König Alfons der Viertel-vor-Zwölfte hatte zwei Untertanen - wenn man einmal von Lukas absieht, der eigentlich kein Untertan war, sondern Lokomotivführer.
    Der eine Untertan war ein Mann namens Herr Ärmel. Herr Ärmel ging meistens mit einem steifen Hut auf dem Kopf und einem zusammengeklappten Regenschirm unter dem Arm spazieren. Er wohnte in dem ganz gewöhnlichen Haus und hatte keinen bestimmten Beruf. Er ging nur spazieren und war eben da. Er war hauptsächlich Untertan und wurde regiert. Manchmal klappte er den Schirm auch auf, meistens wenn es regnete. Mehr ist von Herrn Ärmel nicht zu erzählen.
    Der andere Untertan war eine Frau, und zwar eine ganz besonders nette. Sie war rund und dick, wenn auch nicht ganz so dick wie Emma, die Lokomotive. Sie hatte rote Apfelbäckchen und hieß Frau Waas, mit zwei a. Wahrscheinlich war einer ihrer Vorfahren mal schwerhörig gewesen, und da hatten ihn die Leute einfach so genannt, wie er immer gefragt hatte, wenn er etwas nicht verstand. Und dabei war es dann geblieben. Frau Waas wohnte in dem Haus mit dem Kaufladen, wo ma n alles besorgen konnte, was man so braucht: Kaugummi, Zeitungen, Schuhbänder, Milch, Schuheinlagen, Butter, Spinat, Laubsägen, Zucker, Salz, Taschenlampenbatterien, Bleistiftspitzer, Portemonnaies in Form von kleinen Lederhosen, Liebesperlen, Reiseandenken, Alleskleber - kurz: alles. Reiseandenken wurden allerdings fast nie gekauft, weil keine Reisenden nach Lummerland kamen. Nur Herr Ärmel kaufte hin und wieder eines, mehr aus Gefälligkeit und weil es so billig war, nicht weil er es wirklich brauchte. Außerdem schwatzte er gern ein bißchen mit Frau Waas.
    Ach, übrigens, um es nicht zu vergessen: Den König konnte man nur an Feiertagen sehen, weil er die meiste Zeit regieren mußte. Aber an Feiertagen trat er genau um Viertel vor zwölf ans Fenster und winkte freundlich mit der Hand. Dann jubelten seine Untertanen und warfen ihre Hüte in die Luft, und Lukas ließ Emma fröhlich pfeifen. Nachher gab es für alle Vanilleeis und an besonders hohen Feiertagen Erdbeereis. Das Eis bestellte der König bei Frau Waas, die eine Meisterin im Eismachen war.
    Es war ein friedliches Leben auf Lummerland, bis eines Tages - ja, und damit beginnt nun unsere eigentliche Geschichte.
    1 »Tender-Lokomotive« bedeutet, daß der Kohlentender nicht extra angehängt werden mußte, sondern von vornherein fest angebaut war und gleich dazu gehörte.

Zweites Kapitel
    in dem ein geheimnisvolles Paket ankommt

    Eines schöne Tages legte das Postschiff am Strand von Lummerland an, und der Briefträger sprang mit einem großen Paket unter dem Arm an Land.
    »Wohnt hier eine gewisse Frau Malzaan oder so ähnlich?« fragte er und machte ein ganz dienstliches Gesicht, was er sonst nie tat, wenn er die Post brachte.
    Lukas schaute Emma an, Emma schaute die beiden Untertanen an, die beiden Untertanen schauten einander an, und sogar der König schaute zum Fenster heraus, obwohl es weder ein Feiertag noch Viertel vor zwölf war.
    »Lieber Herr Briefträger«, sagte der König ein wenig vorwurfsvoll, »seit Jahren bringen Sie uns nun die Post. Sie kennen mich und meine Untertanen genau, und da fragen Sie plötzlich, ob hier eine Frau Malzaan oder so ähnlich wohnt!«
    »Aber bitte, Majestät«, antwortete der Briefträger, »lesen Sie doch selbst, Majestät!«
    Und er stieg schnell den Berg hinauf und reichte dem König das Paket durchs Fenster hinein. Folgende Adresse stand auf dem Paket:

    Der König las die Adresse, dann zog er seine Brille hervor und las die Adresse zum zweitenmal. Da sich aber dadurch nichts änderte, schüttelte er ratlos den Kopf und sprach zu seinen Untertanen:
    »Fürwahr, es ist mir einfach unerklärlich, aber hier steht es schwarz auf weiß.«
    »Was denn?« fragte Lukas.
    Der König, der ganz verwirrt war, setzte von neuem seine Brille auf und sagte:
    »Also hört, meine Untertanen, wie die Adresse lautet!« Und er las sie vor, so gut es eben ging. »Eine kuriose
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