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Jesus von Texas

Jesus von Texas

Titel: Jesus von Texas
Autoren: DBC Pierre
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behaupten, daß ich weit rumgekommen bin, aber diesen Ort hier hab ich mir genau angeschaut, und die Erkenntnisse können sich nicht groß unterscheiden: Das Stadt zentrum schmückt sich mit dem ganzen Geld und der Bereitschaft der Leute, Sachen in Schuß zu halten; die Reste davon werden in einer versickernden Welle nach außen gespült. In der Mitte federn gesunde Mädchen in blütenweißen Höschen umher, ringsherum dehnen sich Regionen von Shorts und bedruckter Baumwollwäsche, die dann zu den Rändern hin abstrahlen, wo struppige Bräute in ausgebeulten violetten Schlüpfern rumhängen. Am Ortsausgang: eine heruntergekommene Autowerkstatt. Keine Rasensprenger mehr und kein Rasen.
    »Herr im Himmel«, sagt Pam, »wie kommt es nur, daß ich den Geschmack von Chick 'n' Mix schon auf der Zunge habe?«
    Macht sie Witze? Selbst im Winter stinkt der verdammte Mercury nach gebratenem Hähnchen, geschweige denn an Tagen wie heute, wo er einem Höllenschlund ähnelt. Pam hält an und zieht eine Sonnenblende unter den Scheibenwischern vor; als ich mich umschaue, sehe ich, daß an jedem Auto eine ist. Seb Harris radelt durch den Dunst am Ende der Straße und verteilt sie von seinem Fahrrad aus. Pam faltet das Ding auseinander und liest mit zusammengekniffenen Augen die Aufschrift: »Harris' Store - More, More, More!«
    »Schau dir das an«, sagt sie. »Wir haben gerade das Geld für einmal Chick 'n' Mix gespart.«
    Meine Euphorie hält sich in Grenzen, und schuld daran ist ein Riesenhaufen Ärger. Pam gießt ihre Massen ins Auto. Man sieht, daß ihre Seele schon mit der Frage der Beilage ringt. Am Ende nimmt sie sowieso Krautsalat, weil Mom sagt, der ist gesund. Krautsalat ist Gemüse, deshalb. Ich persönlich brauch heute was Gesünderes. Den Nachmittagsbus stadtauswärts zum Beispiel.
    An der Ecke Geppert Street heult eine Sirene an uns vorbei. Keine Ahnung, was das soll, Kinder können sie jetzt jedenfalls keine mehr retten. Pam vergißt hier sowieso abzubiegen, wie immer - na, was sag ich! Jetzt muß sie zwei Straßen zurückfahren und wird sich wieder beschweren: »Herr im Himmel, bleibt denn in dieser Stadt kein Stein auf dem anderen?« Reporter und Kameraleute durchstreifen in Rudeln die Straßen. Ich halte meinen Kopf gesenkt und suche den Boden zwischen meinen Füßen nach Feuerameisen ab. »Feuermeisen«, nennt Pam sie. Ich möcht nicht wissen, wieviel Fauna hier sonst noch reinklettert in dem Jahrhundert, das sie zum Ein- und Aussteigen braucht. Ein komplettes Reich der verdammten Tiere, ich schwör's.
    Die Leute vom Barn tragen heute Schwarz, abgesehen von den Nikes an ihren Füßen. Ich identifiziere die verschiedenen Modelle, während sie das Hühnchen einpacken. So 'ne Stadt, muß man wissen, ist wie ein Klub. Man erkennt die Mitglieder an ihren Schuhen. Bestimmte Schuhe werden nicht an Leute von außerhalb verkauft, das ist einfach so. Ich betrachte die schwarzen Formen, wie sie in ihren verschiedenfarbigen Füßen umherhuschen, und wie immer, wenn man durch das Mercury-Fenster auf irgendein extrem seltsames Bild schaut, fängt in Pams altem Kassettengerät Glen Campbell an, »Galveston« zu singen. Das ist ein Naturgesetz. Pam hat nur diese eine Kassette - The Best of Glen Campbell. Beim ersten Ab spielen ist sie im Schlitz steckengeblieben, und seitdem läuft sie ständig. Schicksal. Pam singt jedesmal dieselbe Stelle mit, die mit dem Mädchen. Ich glaub, sie hatte mal einen Freund aus Wharton, das ist näher an Galveston als Martirio. Über Wharton gibt's wahrscheinlich keine Lieder.
    »Vern, iß die unteren Stücke, sonst weichen sie durch.«
    »Dann sind aber die oberen unten.«
    »Herr im Himmel.« Sie langt nach der Schachtel, kommt aber nicht weiter als bis zu den Frischetüchern - dann biegen wir in den Liberty Drive ein. Sie hat scheinbar vergessen, was los ist auf dem Liberty Drive.
    Die vielen weinenden Mädchen vor der Schule.
    »Galveston, oh, Galveston ...«
    Vor uns kommt gerade eine weitere Großraumlimousine an, um hinter den anderen zu parken und noch mehr Blumen und noch mehr Mädchen abzuladen. Behutsam rollt sie um die Flecken auf der Straße herum. Fremde Leute mit Fotoapparaten treten ein paar Schritte zurück, um alles aufs Bild zu bekommen.
    »I still hear your sea waves crashing ... «
    Hinter den Mädchen mit den Blumen stehen die Mütter, und hinter den Müttern, wie ältere Brüder im Streichelzoo, die Anwälte.
    »While I watch the cannons flashing ... «
    Überall an der
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