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Jessica

Jessica

Titel: Jessica
Autoren: Linda Lael Miller
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Schritte weiter zu merken, dass man einem Gaukelbild aufgesessen war.
    Als Gage sich gegen die Tür stemmte, gab sie nach, und er hörte trotz des Windes das Quieken der alten Scharniere. Alles verschwamm ihm vor den Augen, als er Jessica über die Schwelle trug, und einen Moment lang stand er nur still da, we il er dachte, alles würde über ihm zusammenbrechen.
    Aber die Hütte war sicher. Langsam, wie ein alter Mann, bewegte Gage sich tiefer in den Raum und legte Jessica vorsichtig auf den Boden, ehe er die Tür wieder zuschob. Es war fast dunkel hier drinnen, aber als seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatte, sah er, dass der Raum etwa acht mal acht Meter maß.
    Jessica begann zu stöhnen, und sofort kam Gage wieder in Bewegung. Nachdem er die Hütte durchsucht hatte, fand er nichts, worin er sie hätte wickeln können, aber es gab ein paar Äste und lose Flurbretter, mit denen er ein Feuer machen konnte. Rasch warf er seinen Hut beiseite, schichtete das Holz aufeinander und hängte Jessica seinen Mantel um.
    Dabei wurde ihm klar, dass sie ihre nassen Kleider auf keinen Fall anbehalten konnte.
    Gage zog sie aus, wovon er schon mehrmals geträumt hatte, aber in seiner Fantasie waren die Umstände anders gewesen. Ihre nackte Haut war bläulich weiß, und er wickelte sie eng in den Mantel ein und setzte sich dann zu ihr, um ihr Hände und Füße zu reiben und den Blutfluss wieder in Gang zu bekommen.
    Jessica wimmerte. »Das ... tut weh!«
    »Gut«, sagte Gage, »dann bist du am Leben.«
    »Wo ... ?«
    »Zerbrich dir nicht den Kopf, wo wir sind. Teufel, das weiß nicht einmal ich. Ich will, dass du jetzt an die Babys denkst, Jessie, und daran, wie sehr sie dich brauchen. Und denk an die Zeitung und ... und ...« Er brach ab, weil er hatte sagen wollen und an mich.
    Ihre Wimpern flatterten und senkten sich auf die kalten Wangen. Guter Gott, selbst halb erfroren war sie noch schön. »Und ... was?«
    »Egal.«
    Jessica schlug die Augen auf und sah ihm bis in die Seele. Wenigstens kam es ihm so vor, als er sie ansah. »Du hast nach mir gesucht, wegen des Sturms.«
    »Und das war gut so«, bestätigte er und zitterte, da auch er die Kälte jetzt zu spüren begann. Es war immer am schlimmsten, wenn man wieder warm wurde - das Ende der Gefühllosigkeit.
    Unglaublicherweise lächelte sie ihn an. »Warum? Warum bist du so ein Risiko eingegangen?«
    »Was glaubst du wohl, warum?«, fauchte er sie an. Jetzt klapperten seine Zähne, und er war nicht in der Stimmung für eine Unterhaltung. »Weil ich dich li ebe, natürlich! Darum!«
    Sie starrte ihn an. »Das tust du?«
    »Ich habe es einmal gesagt, Frau, und ich werde es nicht noch einmal sagen. Jedenfalls nicht hier und nicht jetzt!«
    Sie lachte! Wirklich, sie lachte — dabei waren sie beide eben erst knapp dem Tod entgangen. »Du bist der dickköpfigste Mann der Welt«, sagte Jessica dann schloss die Augen und glitt mit einem Lächeln in die Besinnungslosigkeit.

7
     
    Jessica träumte, dass sie wieder draußen im Schnee waren. Ihr war noch nie so kalt gewesen. Ihre Kleider klebten ihr am Leib, nass vor geschmolzenem Schnee, und sie hatte schon lange jedes Gefühl in Armen und Beinen verloren. Sie hatte gewusst, dass Gage, der sie auf den Armen getragen hatte, dachte, sie sei bewusstlos, aber sie brachte nur nicht den Mut auf, ihm zu zeigen, dass sie bei Bewusstsein war.
    In jenen fürchterlicher Minuten, als ihr klar war, wie nahe sie dem Tode war, hatte sie einen so leidenschaftlichen Willen zu überleben, wie sie es noch nie zuvor gehabt hatte. Sie wollte für die Zwillinge leben, für diesen unmöglichen Mann, der nicht zulassen wollte, dass sie starb - und für sich selbst. Zum ersten Mal in ihrem Leben ruhte sie ganz in sich selbst und war sich sicher, wer sie war und was sie wollte, falls sie noch eine Chance dazu bekam.
    Sie hatte nur noch die Kraft für ein ganz kurzes Gebet, aber es kam aus der Tiefe ihrer Seele, und sie war sich sicher, dass Gott und alle Engel es hörten. Bitte ...
    Dann schloss sie die Augen und spürte als Nächstes erst wieder, dass sie an einem dunklen Ort war. Aber ihr war warm, und sie hätte schwören mögen, dass Gage die Arme um sie gelegt hatte und sie fest an sich drückte, als ob er Angst hatte, dass sie ihm sonst verloren gehen könnte.
    Die Kälte weckte Gage wie ein Messer, und er setzte sich vorsichtig auf, um Jessica nicht zu stören. Dabei sah er sich um. Der alte Schuppen sah höchst zerbrechlich aus, aber er war
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