Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jenseits des Spiegels

Jenseits des Spiegels

Titel: Jenseits des Spiegels
Autoren: Stefanie Markstoller
Vom Netzwerk:
können? „Eine Amnesie.“
    Fragend legte Rem den Kopf zur Seite, sagte aber nichts, bis sie aufstand. „Ich muss mich kurz entschuldigen, um mit Prisca zu reden. Warte hier, wir sind gleich wieder zurück.“
    Sie ging hinaus, ließ aber die Tür offen, so dass sie mich sehen konnte, während sie den anderen ihre Diagnose mitteilte. Keine Chance durchs Fenster abzuhauen. Sie würden es sofort merken. Ich schlang die Arme um mich. Plötzlich war mir mehr als kalt. Ich hatte keine Ahnung was mit mir passiert war, oder warum ich an diesem Erinnerungsverlust litt. Ich drücke meine Arme enger um mich, und spürte dabei etwas in meiner Jackentasche. Etwas Dickes. Ein Portemonnaie! Und in einem Portemonnaie bewahrte man üblich jede Menge Kleinkram auf. Vielleicht …
    Hastig zog ich es aus der Tasche. Es war klein und so dick, das der Drückknopf fast von alleine aufsprang. Vorsichtig, als hätte ich Angst vor seinem Inhalt, öffnete ich es. Das erste was ich in die Finger bekam waren ein Haufen Visitenkarten, die ich achtlos auf den Boden fallen ließ. Ein Gutschein über eine Kugel Eis in irgendeinem Eiscafé. Ein paar Quittungen, fünfunddreißig Euro in Scheinen, und dann fand ich ein Fach aus dem ich eine EC-Karte zog. Kontonummer, Bankleizahl, und ein Name. War das mein Name? Ich fand noch einen Führerschein, und einen Ausweis. Beide waren auf demselben Namen aufgestellt, doch mit dem Foto konnte ich nichts anfangen. Ich konnte mich nicht mal daran erinnern, wie ich aussah. Was war nur mit mir geschehen?
    „Was hast du da?“
    Ich zuckte vor Schreck so hastig zusammen, dass mir der Führerschein aus der Hand fiel, direkt vor Dominas Füße. Sie hob ihn auf, schaute ihn sich von allen Seiten an, und dann zu mir. „Was ist das?“
    Wollte die mich verarschen? Oder lebte diese Sekte wirklich so abseits von allem, dass sie nicht mal einen Führerschein kannte? Gab es hier dann auch keine Autos? Wie war ich dann hier her gekommen, verflucht noch mal? Das ergab doch keinen Sinn!
    Ich antwortete nicht auf ihre Frage, stattdessen stellte ich eine eigene. „Habt ihr hier …“ Ich musste mich räuspern, so rau war meine Stimme. „Hab ihr einen Spiegel? Kannst du mir einen Spiegel geben?“
    Sie konnte. Im Regal lag ein kleiner Handspiegel den sie mir reichte. Ohne sie zu berühren, nahm ich ihn ihr ab. Das Gesicht das mich daraus ansah, kannte ich nicht, aber es war das gleiche wie auf dem Foto. Weißblondes Haar, das zu einer modernen Kurzhaarfrisur geschnitten war, große grüne Augen, die leicht schräg standen. Helle Haut, herzförmiges Gesicht. Ich sah an mir herunter, und stellte fest, dass ich einen schmalen Körper besaß. Nicht schlank, sondern richtig schmal, kaum Oberweite, und einen flachen Hintern. Rundungen suchte man vergeblich.
    Die Fingernägel waren kurz geschnitten, und ein weiterer Blick in den Spiegel verriet mir, dass ich kein Make-up trug. Ich sah wieder in den Ausweis, und zurück auf mein Spiegelbild. „Mein Name ist Talita Kleiber.“
     
    °°°
     
    Talita Kleiber, zwanzig Jahre, ein Meter achtundsiebzig, Wohnort München. Meine Krankenkasse war die Technikerkasse, bei der ich unter der Nummer 983634653536 geführt wurde. Meine Bank war die Sparkasse. Das und noch ein paar andere Dinge fand ich heraus, als ich das Portemonnaie praktisch auseinandernahm.
    Ich hatte mir bei einem Supermarkt eine Packung Kaugummis und eine Flasche Selters gekauft. Die Ware auf dem zweiten Kassenbon lief unter Geschenkartikel, daher hatte ich keine Ahnung, für was ich dort mein Geld gelassen hatte. Ich besaß Visitenkarten von verschiedenen Ärzten, darunter auch ein Tierarzt. Besaß ich ein Tier? Und wenn ja, welches? Ein Videothekenausweis, ein Sozialversicherungsausweiß, und ein Mitgliedsausweis für einen Sportverein. Visitenkarten für einen Friseur, und einen Fitnessclub hatte ich auch. Fahrscheine, und ein Studentenausweiß steckten in einem Seitenfach. An Geld besaß ich genau Achtunddreißig Euro, und zweiundsiebzig Cent.
    All diese Sachen machten mich aus, ergaben mein Leben, aber ich kannte nichts davon. Selbst die Menschen auf den vier Fotos die ich unter dem Klarsichtfach fand, waren mir völlig unbekannt. Inklusive meines eigenen Gesichts, das mich von drei der Fotos anlächelte.
    Auf dem Ersten Foto musste ich jünger gewesen sein, noch ein halbes Kind. Eine Frau hatte von hinten die ihre Arme um meine Schultern geschlungen, und lächelte in die Kamera. Sie besaß braune Haare, hatte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher