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Jenseits des Protokolls

Jenseits des Protokolls

Titel: Jenseits des Protokolls
Autoren: Bettina Wulff , Nicole Maibaum
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der Titelseite der Neuen Presse wussten die Menschen also: »Hier strahlt Wulffs Neue.«
    Ich war glücklich verliebt, meine Eltern jedoch anfangs regelrecht geschockt. Dass Christian 14 Jahre älter war als ich, sahen sie nicht als das Problem an. Eine Beziehung zu einem älteren Mann hatten sie bereits vorher bei mir erlebt. Doch dass Christian überdies noch verheiratet, Familienvater und eine öffentliche Person war, darüber machte sich gerade meine Mutter große Sorgen. »Bitte pass auf dich auf. Was soll denn daraus werden?«, fragte sie mich und ich spürte die Angst, die sie um mich hatte. Sie wollte mir Christian nicht madig machen, aber sie wollte mich vor einer Dummheit und bösem Erwachen bewahren. Ich redete mir den Mund fusselig. Ich erklärte ihr, dass wir uns absolut sicher seien. Dass wir gewiss um die schwierige Situation wüssten, aber dass sich die Zuneigung zwischen uns beiden stark und ehrlich anfühle. Die Sorgen meiner Eltern konnte Christian dann auch bei einem langen persönlichen Treffen mit ihnen erheblich reduzieren.
    Trotzdem war es anstrengend, den Eindruck zu haben, sich ständig für seine Gefühle erklären zu müssen. Zumal ich bereits nur wenige Tage nach unserem gemeinsamen Auftritt beim Public Viewing feststellen musste: Alles wird zu einem großen Akt. Spontaneität? Fortan Fehlanzeige. Flexibilität? Absolut eingeschränkt. Und Emotionalität? Bloß nicht in der Öffentlichkeit. Mal eben abends noch gemeinsam ins Restaurant oder ins Kino gehen oder einfach auch nur schnell eine Runde um den Häuserblock, um frische Luft zu schnappen – plötzlich brauchte man für alles eine Taktik. Das, was für mich noch wenige Wochen zuvor das Normalste und Selbstverständlichste auf der Welt war, wollte auf einmal gut überlegt und vor allem kontrolliert sein. Wenn wir, Christian und ich, uns nicht am nächsten Morgen in den Klatschblättern sehen wollten, blieben wir am besten zu Hause. Denn man zeigt in der Öffentlichkeit keine Gefühle. Aus einem Kuss wird höchstens, allerhöchstens ein Küsschen. Und die liebevolle Umarmung gleicht eher einer freundschaftlichen. Genauso darf es auch keine Disharmonie geben. Eine Szene zu machen ist tabu, weil ein viel zu begehrtes Futter für Fotografen oder solche, die meinen, einer zu sein. Viele Neugierige fühlen sich zum Hobby-Paparazzo berufen, auch weil Blätter wie die Bild -Zeitung mit Aktionen namens » Bild -Leser-Reporter« gerade für enthüllende Aufnahmen bezahlen. Darum: In der Sauna saß ich fortan selbst bei 100 Grad nur noch im Bikini, beim Einkaufen achtete ich darauf, besser nur eine Rotweinflasche statt zwei in den Wagen zu legen, und selbst wenn ich nur kurz den Müll hinausbrachte, schaute ich vorher kritisch in den Spiegel und überprüfte fix den Status meiner Vorzeigetauglichkeit.
    Meine Reaktionen, meine Mimik, mein aktives Handeln derart kontrollieren zu müssen, das war und blieb für mich äußerst befremdlich. Denn eigentlich bin ich ein sehr kommunikativer und offener Mensch. Ich lache gerne, auch über mich. Ich mache gerne mal einen Witz, ziehe Grimassen und gehe vor allem auf die Menschen zu, die mir sympathisch sind und die ich kennenlernen möchte. Ich musste regelrecht üben, mich in meinen Verhaltensmustern einzuschränken.
    Ich weiß, dass andere gerne meinen, das sei nun einmal der Preis, den man zu zahlen habe, wenn man in der Öffentlichkeit steht. Dafür würde man ja auch viel Geld verdienen. Ich sehe das anders. Zum einen habe ich mich nicht bewusst für die Präsenz entschieden. Ich habe mich lediglich in einen Mann verliebt, der sie sich ausgesucht hat. Zum anderen gibt es für mich Grenzen, inwieweit auch eine Person des öffentlichen Lebens belagert, belauert, ja nahezu verfolgt werden darf und scheinbar jegliche Privatsphäre verloren geht. Aber dazu an anderer Stelle mehr.
    Christian kam anfangs oft zu mir zu Besuch. Ich wohnte damals mit Leander im Stadtteil List, in der Goebenstraße, in einer Dreizimmer-Erdgeschosswohnung mit kleinem Garten. Doch kaum war bekannt, dass Christian und ich ein Paar sind, tauchten bereits die ersten Fotografen und Journalisten vor der Tür auf, klingelten teilweise sogar bei meinen Nachbarn und fragten: »Wie ist die Frau Körner denn so? Was macht sie denn so? Was führt sie für ein Leben?« Nicht nur, dass es mich und meine Hausmitbewohner nervte, die Situation war auch seitens des Landeskriminalamtes nicht gerne gesehen. Als Politiker, als Ministerpräsident,
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