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Jenseits des Protokolls

Jenseits des Protokolls

Titel: Jenseits des Protokolls
Autoren: Bettina Wulff , Nicole Maibaum
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Christian und ich wollten kein großes Szenario. Im Gegenteil: Wir wollten eine kleine Hochzeit im privaten Rahmen. So waren es denn auch nur 50 Gäste inklusive Familienmitgliedern, die wir einluden. Die Zeremonie war traumhaft, Superlative wie »Das war der schönste Tag in meinen Leben« liegen mir nicht, aber es war sicher einer meiner schönsten und obwohl ich hochschwanger war, bereits im achten Monat, tanzte ich bis in den frühen Morgen.
    Im Grunde war somit vieles perfekt, nur einmal wieder unsere Wohnsituation nicht mehr. Solange Linus, der im Mai 2008 geboren wurde, noch ein Säugling war, konnten wir uns mit der Dachgeschosswohnung arrangieren. Doch als Linus dann anfing zu krabbeln und selbstständiger zu werden, wurde die Wohnung mit ihren Treppen zu gefährlich beziehungsweise auch zu ungünstig von ihrem Schnitt her. So begaben wir uns erneut auf Wohnungssuche …

3 Das Haus
    Vor gut 20 Jahren hätte ich entsetzt den Kopf geschüttelt. Ein Haus in Großburgwedel? Nie und nimmer. Nicht in dieser spießigen Kleinstadt, als die ich sie damals sah. Als Teenager fand ich diesen Ort mit seinen gut 9000 Einwohnern ziemlich langweilig und konnte es nicht recht nachvollziehen, warum meine Eltern ihre Altbauwohnung im schönen hannoverschen Stadtteil List gegen eine Eigentumswohnung in einem Neubauprojekt in Großburgwedel eintauschten. Ich war knapp drei Jahre, mein Bruder Thorsten sieben. Es war der Klassiker: Meine Mutter und mein Vater wollten mit uns Kindern raus aus der Stadt und ein wenig mehr hinaus aufs Land. So fiel ihre Wahl auf Großburgwedel, wo ich also meine gesamte Kindheit und Jugendzeit verbrachte, zur Schule ging, wo ich im Freibad schwimmen lernte, in der Jugendgruppe der Kirche war, beim TSG Großburgwedel ab meinem achten Lebensjahr Basketball spielte. Es war eine schöne Kindheit, ich denke wirklich, sehr behütet aufgewachsen zu sein, doch als 16-Jährige, als 17-Jährige beherrschte mich das Gefühl, mir fällt in diesem verschlafenen Nest, so kam es mir zu dieser Zeit gerade an den Wochenenden vor, die Decke auf den Kopf. Keine Minute konnte ich mir vorstellen, einmal selbst in Großburgwedel sesshaft zu werden. Heute bin ich es wieder und darüber glücklich.
    Der Anruf meines Vaters kam im Spätsommer 2008. Ein alter Freund aus Großburgwedel hatte sich wenige Minuten zuvor bei ihm gemeldet und erzählt, dass seine Nachbarn sich scheiden lassen und ihr Haus verkaufen möchten. Ich wurde unruhig, notierte mir sofort den Kontakt. Ein halbes Jahr suchte ich da bereits nach einem passenden Haus für Leander, Linus, Christian und mich, hatte unzählige Stunden vor dem Computer verbracht, jegliche Immobilienseiten durchgeforstet, doch war einfach nicht fündig geworden. Der Speckgürtel um Hannover mit Orten wie Großburgwedel ist aufgrund der familienfreundlichen Infrastruktur sehr beliebt. Es hat diesen Hauch von heiler Welt, wenn nahezu jeder jeden grüßt, die Hektik außen vor bleibt, es insgesamt ein wenig ruhiger zugeht als in der Stadt. Hinzu kommt die gute Verkehrsanbindung durch die A7. Darum: Das, was wir suchten, suchten auch etliche andere.
    Als ich nur wenige Tage später im Wohnzimmer des besagten Hauses stand, musste ich tief Luft holen. Christian hatte es aufgrund seines vollen Terminkalenders mir übertragen, vorerst zu schauen, ob die Immobilie für uns überhaupt infrage kommen würde. Und während meine Blicke durch den Raum streiften, dachte ich nur: »Wie gut, dass er nicht bei dieser ersten Besichtigung dabei ist.« Er hätte wahrscheinlich sofort wieder auf dem Absatz kehrtgemacht. Auch ich brauchte viel von meiner Vorstellungskraft, musste mir dabei vor allem die schweren Teppiche und dunklen Holzmöbel wegdenken. Das Ehepaar hatte in dem Haus über 22 Jahre gelebt und drei Kinder großgezogen. Es war alles etwas altmodisch eingerichtet und wirkte eher düster. Aber mir gefiel die Großzügigkeit des Wohnzimmers, die bodentiefen Fenster, die großen Terrassentüren und der Kamin und ich wusste: Hier muss zwar allerhand gemacht werden, aber das könnte passen. Eben auch gerade für uns als Patchworkfamilie, da der Keller bereits komplett ausgebaut war und es dort sogar ein separates Bad mit Dusche gab. Damit würde auch Annalena ihren eigenen Bereich haben, wenn sie uns besuchte. Bei über 200 Quadratmetern Wohnfläche, insgesamt acht Zimmern, war überdies noch Platz für Gäste vorhanden, ebenso wie für ein Arbeitszimmer für Christian. Apropos: Dieser war
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